Einst Königliches Lehrerseminar - heute Polizeidirektion

von Roland Schmidt

 
Für die heutigen Plauener Einwohner ist das rote Backsteingebäude in der Freiheitsstraße die Polizeidirektion der Spitzenstadt, seine ursprüngliche Aufgabe lautete aber anders: Königliches Lehrerseminar Plauen. Mit dieser Zielstellung ist das äußerlich schöne und innerlich zweckvoll gestaltete Gebäude vor 100 Jahren, am 27. April 1899, feierlich geweiht worden, und es diente neben dem Auerbacher Seminar bis 1928 als Ausbildungsstätte vieler vogtländischer Volksschullehrer. Als das neue Haus unweit des Dittrichplatzes in Anwesenheit das sächsischen Ministers des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Kurt Damm Paul von Seydewitz, sowie vieler Honoratioren der Stadt und der gesamten Region feierlich eröffnet wurde, erhielt das Plauener Seminar endlich die räumlichen Kapazitäten, die es für eine effektive Ausbildung der angehenden Lehrer benötigte. Damit konnte zugleich eine seit mehr als 100 Jahren bestehende Lehrerbildungstradition im Vogtland auf einer höheren Stufe fortgesetzt werden. Bereits 1797 hatte der damalige Superintendent Hand die Idee, befähigte Schüler des städtischen Lyceums, für die aus sozialen Gründen kein Universitätsstudium in Frage kam, in gesonderten Unterrichtsstunden auf eine Tätigkeit als Volksschullehrer vorzubereiten. Sein Nachfolger, Superintendent Tischer, ging diesen Weg konsequent weiter. Er gründete 1810 das "Vogtländische Lehrerseminarium" und setzte alsbald auch eine Förderung der Einrichtung durch den sächsischen König durch. Blieb das Seminar auch bis 1835 im festen Verbund mit dem Lyceum, so nahm es doch eine beachtliche Entwicklung. 1815 zog die Bildungsstätte mit ins "Vogtländische Kreissschulhaus" am Schulberg, und 20 Jahre später erlangte sie schließlich ihre Eigenständigkeit, meist jedoch gepaart mit existentiellen Nöten. 1837 erwog das Ministerium sogar die Verlegung des Seminars nach Wiesenburg bei Schneeberg. Doch diese Pläne konnten abgewehrt werden, das Seminar blieb in der Spitzenstadt. Es wechselte in den folgenden Jahren noch mehrmals das Quartier, bevor am 29. Oktober 1845 ein eigenständiger Neubau im Westen der Stadt bezogen werden konnte. Die Gebäude stehen noch heute, und der Name "Seminarstraße" ist ebenfalls noch aktuell. Doch die wachsende Zahl der Seminaristen und auch die höheren qualitativen Anforderungen an ihre Ausbildung ließen bald wieder Platznöte aufkommen. 1874 war die Lehrerbildungsstätte in den Rang eines "Königlichen Seminars" erhoben worden, doch es vergingen nochmals 20 Jahre, den dringend erfoderlichen Neubau im sächsischen Haushaltsetat zu verankern. 1895 stellte die Stadt das 1,65 ha große Baugelände am (heutigen) Dittrichplatz im Tausch gegen die Immobilie an der Seminarstraße zur Verfügung, und 1896 bewilligten die sächsischen Ständekammern 815 000 Mark für den Neubau und die innere Ausgestaltung des Gebäudes. Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten, und Ende April 1899 war es soweit: Das Königliche Lehrerseminar konnte sein neues Domizil in der damaligen Blücherstraße beziehen.188 Seminaristen nahmen gemeinsam mit ihren 17 Lehrkräften unter Leitung von Direktor Hermann Friedrich Römpler von dem schönen Gebäude Besitz, und auch die 86 Knaben der zum Seminar gehörenden vierklassigen Übungsschule freuten sich über die neuen freundlichen Unterrichtsräume. Ihre innere Ausstattung entsprach den damaligen Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Vorbereitung der Seminaristen auf ihre Tätigkeit als Volksschullehrer, wobei fünf kleine Orgeln und 11 Klaviere vor allem auf eine bessere musikalische Ausbildung zielten. Doch in das neue Lehrerseminar waren nicht nur Gelder aus dem sächsischen Staatshaushalt geflossen, die Stadt Plauen sowie die Lehrer und ehemaligen Schüler hatten sich ebenfalls in angemessener Weise an den Kosten beteiligt. So wurden die Fenster im Festsaal des Hauses von früheren Seminaristen und dem aktuellen Lehrerkollegium gespendet, und auch die Seminarbibliothek konnte bedeutend erweitert werden. Auch in den folgenden Jahren flossen weitere Sponsorengelder in die Einrichtung, 1910 wurde davon das Freskogemälde im Eingangsbereich finanziert, das die Grundsteinlegung der Johanniskirche und damit die Einführung des Christentums im Vogtland darstellte. Das neue Plauener Lehrerseminar beschränkte sich aber nicht nur auf die Ausbildung der Lehrerstudenten, es wurde auch bald zu einer kulturellen Begegnungsstätte für die Plauener Bürger. Vorträge zu den verschiedensten geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Themen, vor allem aber die seit 1902 regelmäßig sonntags vormittags veranstalteten Hauskonzerte erfreuten sich großer Beliebtheit. Mit der Gründung der Weimarer Republik änderte sich nicht nur die Struktur des deutschen Bildungswesens, sondern auch für die Lehrerbildung gab es neue Regelungen. Für den Freistaat Sachsen verfügte eine Verordnung vom 4. Januar 1922 die Universitätsausbildung aller Lehrer. Das bedeutete den schrittweisen Abbau der sächsischen Lehrerseminare. Auch im Plauener Seminar wurden erstmals zu Ostern 1922 keine neuen Seminaristen aufgenom- men, die existierenden Klassen wurden jedoch noch zum planmäßigen Abschluß geführt, so daß am 3. März 1928 die letzten Absolventen entlassen wurden. In dem Gebäude am Dittrichplatz hatte sich seit 1922 Schritt für Schritt die Deutsche Oberschule etabliert, bevor in den dreißiger Jahren die Polizeidirektion neuer Hausherr wurde.