11. Februar 1810: Offizielle Anerkennung des Plauener Lehrerseminars

von Roland Schmidt

 
„Wir erkennen diese Anstalt als nützlich an“, sie möge den Namen „Voigtländisches Schul-Lehrer-Seminarium“ führen... - das sind die entscheidenden Worte der Verordnung, die der sächsische König Friedrich August I. am 11. Februar 1810 – vor 200 Jahren – dem Plauener Superintendenten Johann Friedrich Wilhelm Tischer schickte. Sie bildet das offizielle Gründungsdokument des Plauener Seminars, obwohl die Ausbildung von Volksschullehrern in der Vogtlandmetropole noch weiter zurück reicht. Schon seit jeher waren aus der Plauener Lateinschule Schüler abgegangen, denen aus sozialen Gründen von vornherein ein Universitätsstudium versagt blieb. Sie mussten sich notgedrungen ihren Lebensunterhalt als Kirchschullehrer erwerben, obwohl sie über keine pädagogische Ausbildung verfügten. Das änderte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als man auch in Plauen begann, die sozial benachteiligten Lateinschüler durch Vermittlung pädagogischer Kenntnisse gezielt auf diese Tätigkeit vorzubereiten. Der damalige Superintendent Johann Christian Hand übernahm selbst pädagogische Lehrveranstaltungen, Lehrer des Lyceums erteilten unentgeltlich weitere Unterrichtsstunden, und Rektor Johann August Görenz appellierte an die Plauener Bürger, die Seminaristen durch Geldspenden oder „Freitische“ auch materiell zu unterstützen. Hands Nachfolger Tischer, der von 1798 bis 1823 in Plauen wirkte, ging zusammen mit dem neuen Rektor Adolph Friedrich Wimmer noch einen Schritt weiter. Sie trennten die zukünftigen Volksschullehrer von den potentiellen Studenten, befreiten sie vom aufwändigen Latein- und Griechischunterricht und erhöhten dafür die Stundenzahl für Pädagogik. Gleichzeitig wiesen sie den jungen Männern die Plauener Torschulen als Übungsfeld zum Erwerb erster Unterrichtserfahrungen zu. Die Verordnung des Königs von 1810 änderte an diesem Zustand zunächst nichts. Sie hielt an der festen Bindung des Seminars an das Lyceum fest, versagte ihm folglich sowohl einen eigenen Lehrkörper als auch ein eigenständiges Gebäude. Auch die finanzielle Absicherung des Seminars blieb weiterhin unklar. Dennoch erwies sich die königliche Bestätigung als wichtiges Pfand für die Zukunft, als mehrmals Diskussionen um den Nutzen des Seminars und seine Existenzberechtigung im Vogtland auftauchten. Bis 1835 blieb das Seminar personell und räumlich Bestandteil des Lyceums. Zunächst in den unteren Räumen der alten Superintendentur, ab 1815 aber im Landrockschen Haus am Schulberg untergebracht, zählte es in zwei Klassen insgesamt 30 Seminaristen Sie wurden neben Religion, Deutsch und Rechnen vor allem in Musik ausgebildet, um später neben dem Schulunterricht auch als Kantoren in den Kirchgemeinden zu wirken. Am 12. Mai 1835 wurde das Seminar selbstständig. Es erhielt einen eigenen Lehrkörper, dem Johann Gottfried Wild als Direktor vorstand. Dennoch war die Zukunft der Einrichtung lange Zeit ungewiss. Vier Umzüge innerhalb der Stadt in einem Jahrzehnt belegten das deutlich, und das sächsische Kultusministerium plante bereits die Verlegung des Seminars nach Wiesenburg bei Schneeberg. Der energische Protest zahlreicher Städte und Gemeinden des Vogtlandes brachte diese Pläne zu Fall, doch erst mit dem 1845 geweihten Neubau in der Seminarstraße wurde der Standort Plauen endgültig gesichert. Inzwischen hatte die erste sächsische Seminarordnung (1840) eine vierjährige Ausbildungszeit verfügt. Sie wurde von 1844 bis 1848 auch von Friedrich Dittes (1829 – 1896) absolviert, dem Sohn einfacher Häusler aus dem vogtländischen Irfersgrün, der später weit über Deutschlands Grenzen als Pädagoge und Kämpfer für eine fortschrittliche Schule bekannt wurde. Mit seinen gut 50 Mitschülern wurde er von sieben Lehrern unterwiesen, und in der Übungsschule vor dem Neundorfer Tor (heute Ecke Neundorfer / Dobenaustr.) sammelte er erste Unterrichtserfahrungen. Bei allen Verbesserungen der räumlichen Situation erwies sich der Neubau in der Seminarstraße bald als zu klein, zumal das Plauener Seminar die bereits 1840 für alle Seminaristen verkündete Internatspflicht nicht erfüllen konnte. Erst 1848 konnten durch Umbauten wenigstens 40 Internatsplätze geschaffen werden, doch die Raumnot blieb ein ständiges Problem. So mussten die Unterrichtsräume mit ihren Schulbänken gleichzeitig als Wohn- und Arbeitsräume genutzt werden, und für alle Internatsschüler stand nur ein einziger großer Schlafsaal zur Verfügung. Ermöglichten Internatspflicht und Gemeinschaftsverpflegung einerseits einen kostengünstigen Seminarbesuch, so erwies sich andererseits die strenge Aufsicht der Lehrer über die Seminaristen hinsichtlich des Erwerbs von Lebenserfahrungen eher als kontraproduktiv. In der Regel blieben die Schüler die gesamte Woche – vom Kirchenbesuch abgesehen – im Seminargebäude, und auch der wöchentliche “Spaziergang“ durch die Stadt in der Gruppe und unter Führung eines Lehrers brachte keinen Ausgleich. 1864 erhielt das Seminar einen gleich großen Anbau (er wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört), der Raummangel blieb jedoch bestehen, weil zeitgleich die Zahl der Seminaristen auf 100 stieg. In den siebziger Jahren des 19. Jh. traten wichtige Änderungen in der Seminarausbildung in Kraft, für die Friedrich Dittes bereits 1864 den entscheidenden Anstoss gegeben hatte. Der Stellenwert der deutschen Sprache und Literatur wurde erhöht und Latein wieder eingeführt. Die Naturwissenschaften erfuhren eine weitere Auffächerung, und auch die Pädagogik erhielt im nun sechsjährigen Lehrgang für 14 – 20-jährige junge Männer mehr Gewicht. Das verlangte auch räumliche Verbesserungen, die aber erst am 27. April 1899 mit der Weihe des neuen Seminargebäudes am Dittrichplatz realisiert werden konnten. Es gewährte 188 Seminaristen, darunter 115 Internatsschülern, sowie der Übungsschule mit 86 Schülern solide Arbeitsmöglichkeiten.Die Seminarbibliothek wurde erweitert und fünf kleine Orgeln sowie 11 Klaviere dienten einer besseren musikalischen Ausbildung der Seminaristen. Das 100-jährige Jubiläum des Seminars (1910) bildete den Zenit seiner Entwicklung. Danach führten der Erste Weltkrieg – er brachte 130 ehemaligen und aktuellen Seminaristen den Tod! - sowie die Nachkriegswirren zu einem zeitweiligen Leistungsverfall in der nunmehr siebenjährigen Ausbildung. Gleichzeitig zeichnete sich aber die generelle Schließung der Seminare ab. Die Weimarer Verfassung von 1919 sah eine einheitliche Neuregelung der Lehrerbildung in ganz Deutschland vor. Sie wurde zwar nie realisiert, doch der Freistaat Sachsen verfügte am 4. Januar 1922 die Universitätsausbildung aller Lehrer und entsprach damit einer alten Forderung der deutschen Lehrerschaft. Auch in Plauen wurden deshalb ab Ostern 1922 keine neuen Seminaristen mehr aufgenommen, die bestehenden Klassen wurden jedoch noch zum planmäßigen Abschluss geführt, so dass am 3. März 1928 die letzten Absolventen entlassen wurden. Parallel zum Abbau des Seminars erfolgte in dem großen Gebäude am Dittrichplatz der Aufbau der „Deutschen Oberschule“, der 10 – 19-jährige Schüler zum Abitur führte. In den 118 Jahren seines offiziellen Bestehens brachte das Plauener Seminar etwa 3000 Volksschullehrer hervor. Die meisten fanden im Vogtland eine Anstellung und haben viele Mädchen und Jungen unserer Heimat erzogen. Ihre Arbeit beschränkte sich oft aber nicht allein auf die Schule, sondern sie leisteten auch in den Städten und Dörfern als Kantoren in den Kirchen, als Liedermeister von Gesangvereinen, als Übungsleiter in Turnvereinen, als Obstbaum- oder Bienenzüchter, schließlich aber auch als Heimatforscher einen unschätzbaren Beitrag zum geistig-kulturellen Leben der Vogtländer.