Vor 130 Jahren wurde der Bezirksverein Plauen des Allgemeinen Sächsischen Lehrervereins gegründet

von Roland Schmidt

 
Es war eine ansehnliche Gesellschaft ehrenwerter Herren, die sich vor 130 Jahren, am 10. Dezember 1873, im Saal des Plauener Restaurants "Zum Tunnel" einfand, und sie verkörperte in sich das Beste, was die Stadt Plauen und ihr Umland an pädagogischer Erfahrung und gelebtem Berufsethos als Lehrer zu bieten hatte. Die 25 Direktoren und Volksschullehrer trafen sich zur Gründung des Bezirksvereins Plauen des Allgemeinen Sächsischen Lehrervereins. Es war keineswegs der erste Zusammenschluss vogtländischer Lehrer auf Vereinsebene, denn die ersten Gründungen lagen schon knapp 40 Jahre zurück. 1835 hatten sich die Lehrer von Bobenneukirchen und Umgebung zu einem Verein konstituiert. Im gleichen Jahr gründete sich der "Schullehrerverein zu Reichenbach", und auch im oberen Vogtland entstanden in jener Zeit die ersten Berufsverbände der Volksschullehrer. Sie organisierten regelmäßige Treffen ihrer Mitglieder, um den Erfahrungsaustausch mit den Kollegen aus dem Nachbarort oder aus der Schule nebenan zu führen und um Mut und Kraft für die schwierige tägliche Arbeit zu gewinnen. Diesem Ziel diente gleichfalls die Diskussion pädagogischer und sozialer Probleme sowie die Pflege der Geselligkeit. Das Erleben dieser Solidargemeinschaft ließ viele Lehrer die Mitgliedschaft in den Vereinen zu einem wichtigen Bedürfnis werden. Von 1836 bis 1853 hatte der "Vogtländische Volksschullehrerverein" im gleichen Sinne gewirkt, doch die politische Restauration nach der Revolution 1848/49 hatte die Lehrervereinsbewegung im Vogtland wie in ganz Sachsen weitgehend zerschlagen. Die reaktionäre Regierung unter Franz Ferdinand von Beust sah in den Volksschullehrern die entscheidenden Förderer revolutionären Gedankengutes, und sie erließ in den Jahren 1850 bis 1852 Gesetze, die den Lehrern jegliche politische Tätigkeit als Privatpersonen und auch als Vereinsmitglieder untersagte. Erst gegen Ende der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden diese restriktiven Maßnahmen gelockert, so dass sich die Lehrervereine neu konstituieren konnten. Dieses wechselvolle Schicksal teilte auch der Allgemeine Sächsische Lehrerverein, der am 5. August 1848 in der Dresdner Waisenhauskirche gegründet worden war. Seinen Aktivitäten waren lange Zeit enge Grenzen gesetzt, und erst in den sechziger Jahren konnte er sich stärker entfalten. Er bestand aber zunächst nur als Organisation auf Landesebene, während in den einzelnen Gebieten des Königreiches Sachsen sehr verschiedenartige Lehrervereine existierten, die sich nur lose mit dem Landesverband verbunden fühlten. Das schwächte die Wirksamkeit der Berufsorganisation und bedurfte daher einer dringenden Änderung. Den konkreten Anlass dafür boten zwei für die sächsische Geschichte wichtige Gesetze. Das war zum einen das "Gesetz, das Volksschulwesen betreffend" vom 26. April 1873, zum anderen das fast zeitgleich beschlossene "Gesetz über die Organisation der Behörden". Es trat am 1. Januar 1874 in Kraft und gliederte das Königreich Sachsen in 26 Amtshauptmannschaften (Kreise). Wollte der Allgemeine Sächsische Lehrerverein den sich aus dem Volksschulgesetz erwachsenden Aufgaben gerecht werden, musste er sich an der Basis neu organisieren, wobei sich die neue Verwaltungsstruktur als Grundlage anbot. In jeder Amtshauptmannschaft sollten Bezirksvereine gegründet werden, die sich "vor Ort" um die beruflichen Belange ihrer Mitglieder kümmerten. Gleichzeitig sollten über Delegierte ein starker Landesverband geschaffen werden, der das sächsische Volksschulwesen förderte und die Interessen der Lehrer vertrat. Der am 10. Dezember 1873 im Restaurant "Zum Tunnel" gegründete Bezirksverein des ASLV sollte diese Aufgabe für die Amtshauptmannschaft Plauen erfüllen. Der Initiator der Gründungsversammlung war Franz Louis Hunger, der Direktor der der 2. Bürgerschule in der Neundorfer Straße (Gebäude der heutigen Vogtland-Bibliothek). Er hatte die Einladungen ausgesprochen und alle Vorbereitungen getroffen, doch zum Termin war er wegen Krankheit verhindert. Für ihn sprang Friedrich Karl Höckner als Versammlungsleiter in die Bresche. Der Direktor der 3. Bürgerschule gab voller Stolz bekannt, dass außer den Anwesenden weitere 29 Kollegen ihren Beitritt zum Verein erklärt hatten , und er charakterisierte die Vereinsgründung als "ersten Hammerschlag zu einem das Wohl des ganzen Volksschulwesens gründenden und fördernden Baus". Diesem Anliegen fühlte sich der erstmals gewählte Vorstand verpflichtet, an dessen Spitze F. L. Hunger und K. F. Höckner als 1. bzw. 2. Vorsitzender fungierten, und in dem die Lehrer Bernhard Balduin Bitterlich und Johann Adolf Gottlob Grimm als Schriftführer bzw. Kassierer tätig waren. Darüber hinaus wurden die Direktoren Hunger und Friedrich Reinhard Rother (Pausa) sowie der Theumaer Kantor Karl Friedrich Sammler als "Delegierte" gewählt, die die Verbindung zur Vereinszentrale in Dresden hielten und dort die Interessen der Plauener Lehrer vertraten. Die Gründungsmitglieder einigten sich auf ein vorläufiges Arbeitsprogramm, wobei sie sich einmütig dafür aussprachen, die Versammlungen an "mondscheinbringenden Tagen" anzusetzen, um die Gefahren des nächtlichen Heimweges zu mindern. Den damaligen Verkehrsverhältnissen war es auch geschuldet, dass sich der Plauener Bezirksverein nochmals in mehrere Zweigvereine untergliederte, so dass nicht nicht immer der weite Weg nach Plauen zurückgelegt werden musste. Da gab es die "Altensalzer Konferenz", die "Wanderkonferenz Theuma-Bergen", den "Pädagogischen Verein zu Plauen" sowie den Pädagogischen Verein oberhalb Plauens (Ortschaften von Weischlitz bis zur bayerischen Grenze) und westlich von Plauen (Orte um Pausa und Mühltroff). Die "Mylau-Netzschkauer Konferenz" schloss sich bald dem näher gelegenen Bezirksverband Reichenbach an. Sie alle führten eigenständige Veranstaltungen durch, dreimal im Jahr traf man sich aber zu gemeinsamen Tagungen in Plauen, die entweder in der "Freundschaft" oder in der "Bierhalle" stattfanden. In den ersten Vereinsjahren wurden vor allem Gehaltsfragen der Lehrer erörtert. Unter dem 1876 neu gewählten Vorsitzenden Dr. Karl Eduard Otto Böhme (er war seit 1874 Direktor der 1. Bürgerschule) wurden auch Lehrstunden einzelner Mitglieder in das Vereinsprogramm aufgenommen, die zu vielfältigen Diskussionen herausforderten. Die Vereinsmitglieder stritten über die Vorzüge und Schwachstellen einzelner Lehrbücher und bezogen auch zu lokalen Themen Stellung. So sprachen sie sich entschieden gegen die Kinderfeste aus, die Plauener Gastwirte aus Profitgründen veranstalteten, gleichzeitig unterstützten sie mit Rat und Tat die Bemühungen der Stadtväter, Kinderspielplätze anzulegen. In diesem Sinne wurde auch die Vereinsarbeit unter Böhmes Nachfolger Christian Friedrich Krause, dem Direktor der (späteren ) 4. Bürgerschule in der Straßberger Straße, weitergeführt. Unter seiner Leitung führten die Mitglieder des Bezirksvereins heiße Dikussionen um die Effektivität der Herbart-Zillerschen Pädagogik, und auch die Geselligkeit kam nicht zu kurz. Ab 1893 - der Verein wurde inzwischen von Dr. Wilhelm August Karl Lange, dem Direktor der Höheren Bürgerschule in der Bärenstraße geleitet - machten sich viele Vereinsmitglieder als Autoren des Buches "Unser Vogtland" um die Heimatgeschichte und ihre Verbreitung in der Volksschule verdient. So hatte der Bezirksverein Plauen des Allgemeinen Sächsischen Lehrervereins fast ein Vierteljahrhundert hindurch das Volksschulwesen der Stadt und der ländlichen Territorien und die in ihm tätigen Lehrer unterstützt. Auch überregional trat er in Erscheinung, indem einzelne Mitglieder wichtige Vereinsaufgaben auf Landesebene erfüllten. 1879 war der Bezirksverein Plauen Gastgeber für die turnusgemäße Jahrestagung des ASLV, und seine Bemühungen um einen guten Kongressverlauf fanden allseits Anerkennung. Dennoch standen in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts organisatorische Veränderungen an. Sie ergaben sich aus dem uneffektiven Nebeneinander des Bezirksvereins Plauen mit dem schon seit 1866 bestehenden "Pädagogischen Verein zu Plauen", zumal die Mitgliederschaft beider Vereine nahezu identisch war. So wurde der Ruf immer lauter, beide Vereine zusammenzuschließen. Das geschah am 20. November 1897, und unter dem neuen Namen "Lehrerverein zu Plauen" konnten in den folgenden Jahren die schulpolitischen und pädagogischen Ziele der Volksschullehrer, zugleich aber auch die sozialen Probleme des Berufsstandes noch viel besser vertreten werden.