Vater und Sohn als Rodersdorfer Dorfschulmeister

von Roland Schmidt

 
Es ist gewiß nicht oft vorgekommen, dass in einem Dorf nacheinander zwei Lehrer mit völlig gleichem Namen angestellt waren. Im vogtländischen Rodersdorf war dies jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderst der Fall. Friedrich August Sauerbrey – diesen Namen trugen Vater und Sohn. Beide hatten das Plauener Lehrerseminar absolviert, und beide arbeiteten in direkter Folge insgesamt 64 Jahre als Lehrer an der Kirchschule in Rodersdorf. Mag diese personelle Konstellation Zufall sein, die Art und Weise, wie sie arbeiteten und lebten, war dagegen typisch für die meisten vogtländischen Dorfschulmeister ihrer Zeit. Das zeigt schon die Bewerbung des älteren Sauerbrey um die freie Stelle in Rodersdorf, nachdem der bisherige Lehrer Hornschuh 1798 verstorben war: „Ihre Hochwohlehrwürden verzeihen gehorsamst, daß ich mich unterfangen habe, an dieselben einige Zeilen zu schreiben..."-mit diesen Worten begann Sauerbreys Brief an den Rodersdorfer Pfarrer Michaelis, in dem er den Geistlichen bat, sich beim Plauener Superintendenten Tischer für ihn zu verwenden. Er versprach sich, schrieb Sauerbrey weiter, in Rodersdorf eine Verbesserung seiner Lage, nachdem er „10 Jahre zu Kauschwitz auf einen geringen Brot" mit etwa 60 Talern Jahreseinkommen und unsicheren Wohnverhältnissen gearbeitet habe. Pfarrer Michaelis kam dieser Bitte nach, zumal er Sauerbrey bereits als Vertretungslehrer in Rodersdorf erlebt hatte. Bei Superintendent Tischer hatten sich jedoch drei weitere Bewerber um diese Stelle gemeldet, so dass dieser erst nach einer öffentlichen Prüfung den auswählen wollte, der „nicht nur der fähigste, sondern auch der nach Rodersdorf passendste " war. Tischer setzte für den 30. Dezember 1798 die Probe im Katechisieren, Singen, Orgelspielen, Rechnen und Schreiben in der Rodersdorfer Kirche an. Zugleich forderte er die Gemeindemitglieder von Rodersdorf auf, „nach getaner Probe durch Abgeordnete ihre Erklärung (zu) geben, ob sie wider eines der vorgestellten Subjekte Person, Lehre, Leben und Wandel etwas einzureden haben." Für Friedrich August Sauerbrey sen. ging diese Prüfung erfolgreich aus. Er erhielt die Stelle und hat in ihr 27 Jahre lang zur allgemeinen Zufriedenheit gearbeitet. Auch seine materiellen Verhältnisse hatte er verbessern können. Eine Aufstellung von 1806 weist sein Jahreseinkommen mit 125 Talern aus, wobei jedoch nur ein Drittel davon als Bargeld zur Verfügung stand. Den größeren Teil des Einkommens machten Naturalleistungen aus, die er im Verlaufe eines Jahres von der Gemeinde erhielt. 1806 waren das 68 Brote, 11 Scheffel Korn, 132 Garben Getreide und 100 Eier, zum Heiligenabend gab es 12 Napf Korn zusätzlich. Darüber hinaus durfte er ein kleines Feld bestellen, ein Gärtchen pflegen und das Friedhofsgras für seine Kaninchen mähen. Schließlich zählten zu diesem Einkommen noch diverse Nebenverdienste, die sich Sauerbrey durch Musizieren bei Hochzeiten, Taufen und Begräbnissen verschaffen musste. Als Sauerbrey sen. 1825 starb, wurde sein Tod in den Kirchenakten mit dem Zusatz „ein sehr achtenswerter Mann" verzeichnet. Das Urteil über seinen Sohn fiel dagegen nicht so einhellig aus. Er hatte sich gleich nach dem Tode des Vaters der Prüfung in der Rodersdorfer Kirche gestellt und den Zuschlag erhalten. Mit großer Einsatzbereitschaft und mit pädagogischem Geschick versuchte er, seine Aufgaben zu erfüllen. Doch mit zunehmendem Alter blieb ihm der Erfolg immer häufiger versagt. Fachliche und methodische Mängel führten zu gravierenden Disziplinproblemen, so dass Inspektionen in den Jahren 1853 und 1860 vernichtende Urteile fällten. Verwunderlich war das aber nicht, schließlich arbeitete Sauerbrey jun. - wie viele andere Dorfschullehrer - jahrelang allein am gleichen Ort, isoliert von Berufskollegen und dem täglichen Gedankenaustausch mit ihnen. Fortbildungsmöglichkleiten gab es nur in Ansätzen, sie blieben aber oft durch die Sorge um das tägliche Brot ungenutzt. Der Rodersdorfer Pfarrer Kautzsch hatte das Problem sehr wohl erkannt, und er nahm deshalb Sauerbrey jun. zu Recht gegen die Plauener Schulaufsichtsbehörde in Schutz: „Von einem bejahrten Lehrer, der an 50 Jahre Schule gehalten hat, kann nicht leicht erwartet werden, daß er seinen in vielen Jahren festgehaltenen Weg plötzlich verlassen und einen anderen einschlage." Doch Sauerbrey war mit seinen Kräften am Ende, die Kinder glitten ihm mehr und mehr aus den Händen, so dass die Schulbehörde im Juli 1862 die Versetzung des 73jährigen Lehres in den Ruhestand verfügte. Befreite sie damit Sauerbrey einerseits von Pflichten, die keine Erfüllung mehr brachten, so bewirkte sie für ihn andererseits einen tiefen sozialen Sturz. Er verlor Wohnung und Naturalleistungen und bekam nach mehr als 50 Dienstjahren nur eine karge Pension. Gut zwei Jahre später, am 11. August 1864, ist er verstorben.