Ein gestandener Pädagoge

von Roland Schmidt

 
In Plauen wirkten im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts mehrere Pädagogen, die durch ihre Arbeit allseits bekannt waren und auch außerhalb der Stadtmauern einen guten Ruf genossen. Namen wie Wimmer, Dölling, Palm, Gessing und Römpler waren zur Legende geworden, weil ihre Träger in ihrer Zeit Bedeutendes für das Schulwesen der Stadt und des gesamten Vogtlandes geleistet hatten. Zu dem Kreis dieser Männer gehört auch Adolph Gustav Caspari, der der Plauener Bürgerschule in der Syrastraße von 1841 bis 1873 als Direktor vorstand. In dieser Funktion erwarb er sich nicht nur Verdienste um den Aufbau des Plauener Volksschulwesens, sondern auch um die Mädchenbildung und die Entwicklung von Lehrmitteln. Caspari wurde am 3. Mai 1805 in Reichenbach geboren, seine Kindheit und Jugend verbrachte er jedoch in Naumburg, wo der Vater als Superintendent tätig war. Er besuchte die Naumburger Domschule, und er blieb auch später der von Weinbergen geprägten Landschaft um Saale und Unstrut von Herzen zugetan. In Halle studierte er Theologie, doch trotz eines erfolgreichen Examens hatte er mit seinen Bewerbungen um ein Pfarramt kein Glück. So trat er - wie es damals üblich war - zur Überbrückung der Wartezeit in den Schuldienst ein, um jedoch sehr schnell als Lehrer seine wahre Berufung zu erfahren. Nach einigen Hauslehrerstellen nahm er die Tätigkeit an der Naumburger Mädchenschule auf, die ihm zu einer wichtigen Quelle pädagogischer Erfahrungen wurde. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre arbeitete er als Oberlehrer und später als Leiter der Bürgerschule im erzgebirgischen Annaberg, bevor er 1841 als Direktor an die neuerbaute Bürgerschule in Plauen berufen wurde. Der Neubau in der Syrastraße war für das Plauener Schulwesen in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll. Er war nicht nur das erste Gebäude der Stadt, das von vornherein für Unterrichtszwecke erbaut worden ist, er war auch die erste Schule, die alle Kinder des einfachen Volkes in ihren Mauern aufnahm. Darüber hinaus diente er nicht nur Kindern als Bildungsstätte, sondern er beherbergte auch die "Sonntagsschule", eine frühe Form der Fortbildung für Erwachsene. Sofort mit seinem Amtsantritt führte Caspari pädagogischeMaßnahmen ein, die nicht nur für Plauen neu waren. Das betraf zunächst die Erarbeitung zahlreicher Anschauungsmittel für den Unterricht. Dank seiner ausgeprägten künstlerischen Fähigkeiten zeichnete er Tiere und Blumen, und er fertigte Wandkarten vom Vogtland und von Sachsen an, um damit den Unterricht interessanter gestalten zu können. Bereits vor seiner Plauener Zeit hatte er ein Lehrbuch über die Anfänge der Geometrie verfaßt, und die Hochschätzung gegenüber der Mathematik und den Naturwissenschaften zog sich durch sein ganzes Leben. Eng damit verbunden waren Casparis Bemühungen, die Handfertigkeiten seiner Schüler zu entwickeln. Immer wieder regte er die Jungen und Mädchen zu Bastelarbeiten an, wohl wissend, aß er sie mit dem geschickten Gebrauch ihrer Hände besser auf das Leben vorbereitete. Mit den befähigsten Schülern fertigte er sogar Lehrmittel für den Unterricht an. Eine camera obscura gehörte ebenso dazu wie eine Luftpumpe oder Elektrisiermaschine. Schließlich widmete sich Caspari intensiv der Mädchenbildung, einem Gebiet, das zu seiner Zeit von vielen Pädagogen noch vernachlässigt wurde. Gleich mit seinem Amtsantritt 1841 trat er für den Unterricht in "weiblichen Handarbeiten" ein, in gleicher Weise forderte er auch den Turnunterricht für Mädchen, und er regte viele seiner Lehrer zu ähnlichen Gedanken an. So war es gewiß kein Zufall, daß sich in den vierziger und fünf ziger Jahren mehrere Lehrer der Bürgerschule öffentlich zu Fragen der Mädchenbildung äußerten. Caspari selbst verfaßte 1856 eine Schrift mit dem Titel "Das Wissenswerte auf dem Gebiet der Chemie und Physik in Anwendung auf Küche und Wirtschaft für denkende Hausfrauen". Als gestandener Pädagoge vereinte Caspari in seiner Person Feinfühligkeit und Strenge. Er zeigte gegenüber seinen Schülern großes Einfühlungsvermögen, und er hatte ein ausgeprägtes Gespür für die sozialen Probleme seiner Lehrer. Er konnte auch zornig werden, wenn er merkte, daß seine Bemühungen kein Echo fanden. Nach 32jähriger Dienstzeit als Direktor der Plauener Bürgerschule trat Adolph Gustav Caspari Ostern 1873 in den Ruhestand. Er währte jedoch nur wenige Monate, denn schon am 15. Februar 1874 ereilte ihn ein früher Tod.