Ein dritter Lehrer für Markneukirchen

von Roland Schmidt

 
Der Beginn des Jahres 1824 brachte dem Schulwesen Markneukirchens einen bemerkenswerten Fortschritt. In diesen Tagen trat der 35jährige Fürchtegott Just aus Adorf seinen Dienst als dritter Lehrer an der Schule der Kleinstadt im vogtländischen Musikwinkel an, und er widmete sich fortan der Elementarbildung der sechs- bis neunjährigen Jungen und Mädchen. Er hatte die Fürstenschule Schulpforta besucht, später in Jena Theologie studiert und anschließend bei einem ungarischen Adligen erste pädagogische Erfahrungen gesammelt. Die Stadtväter waren mit ihrem dritten Lehrer sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit galt aber nicht nur der Tätigkeit Justs allein, sondern auch dem erfolgreichen Kampf um die Einrichtung der dritten Lehrerstelle an der Schule. Das Ringen darum hatte sich mehrere Jahre hingezogen und manchem Ratsherren einige graue Haare beschert. Vor etwa 200 Jahren befand sich das Markneukirchner Schulwesen - wie das vieler anderer vogtländischer Orte - in einem schlechten Zustand. Für etwa 360 Kinder standen nur zwei Lehrer zur Verfügung, von den räumlichen Bedingungen für den Unterricht ganz zu schweigen. Ein Lehrer fungierte als Rektor und arbeitete mit den 160 Knaben der Stadt. Der andere war als Organist und Kantor angestellt, und er unterrichtete "so nebenbei" in der Woche 200 Mädchen. Es war offensichtlich, dass unter diesen Voraussetzungen von einer qualitativ hochwertigen Arbeit keine Rede sein konnte, und die Markneukirchner Stadtväter haben das in einer Bittschrift an die Königliche Regierung in Dresden vom 2. April 1817 deutlich zum Ausdruck gebracht. Wörtlich hieß es, "...daß bey aller Thätigkeit und bey dem besten Willen der Lehrer der Unterricht in der Schule bey dieser starken Anzahl der Kinder dennoch sehr mangelhaft und unvollkommen seyn muß." Die Ratsherren sahen aber nicht allein die hohe Schülerzahl als belastend für die beiden Lehrer an, sondern auch die Schwierigkeit des Mehrstufenunterichts. Die unterschiedlichen Altersstufen erforderten vielfach ein differenziertes Vorgehen bei der Vermittlung des Stoffes, dafür waren aber die Lehrer nicht ausgebildet. Allein die Erfahrung aus vielen Unterrichtsjahren reichte dazu nicht aus. Der Stadtrat schrieb deshalb in dem Papier, diese Arbeitsweise koste die Lehrer so viel Anstrengung, dass sie für ein höheres Unterrichtsniveau "kaum die nöthige Heiterkeit und Lebhaftigkeit des Geistes" mehr haben konnten. Dieses höhere Unterrichtsniveau war jedoch gerade für die Markneukirchner Schüler ein dringendes Erfordernis, denn der sich rasch ausbreitende Export von Musikinstrumenten in alle Welt erforderte tiefere Kenntnisse der Geographie, Geschichte und Naturkunde. Ein neu anzustellender dritter Lehrer wurde zum Erreichen dieses Zieles als unerlässlich erachtet. Doch so recht mochten die Markneukirchner Stadtväter wohl doch nicht an das Wohlwollen der Verantwortlichen in Dresden geglaubt haben, denn sie boten gleich an, einen Teil der Besoldung des Lehrers aus den Diakonatseinkünften zu übernehmen. Die Regierung zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt, so dass die erbetene "allerhuldreichste Gewährung" der dritten Lehrerstelle lange auf sich warten ließ. Erst sechs Jahre später, am 17. Dezember 1823, konnten die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden, indem in Dresden ein "Rezeß über die Fundation einer dritten Lehrstelle zu Neukirchen" unterzeichnet wurde. Der Lehrer sollte damit den Rektor und den Mädchenlehrer von den jüngeren Jahrgängen befreien, so dass diesen mehr Zeit für eine intensivere Arbeit mit den älteren Schülern blieb. Ein langer Kampf um die Verbesserung des Markneukirchner Schulwesen nahm somit ein erfolgreiches Ende, und mit Fürchtegott Just erzielten die Musikstädter noch dazu einen Volltreffer: Sein Lehrgeschick fand sehr schnell allgemeine Anerkennung. So war es kein Zufall, dass Just bereits vier Jahre später (1828) die frei gewordene Stelle des Rektors übernahm. Dieses Amt versah er 29 Jahre lang bis zu seinem Tod am 17. September 1857. Sein Nachfolger auf der dritten Lehrerstelle, Johann Friedrich Gruber, brachte es auf eine noch längere Dienstzeit in Markneukirchen, indem er 46 Jahre als Lehrer und Kantor in der Stadtschule wirkte.