Die Krauseschule wäre heute 140 Jahre alt
Die meisten Plauener werden mit dem Begriff „Krauseschule“ nichts mehr anfangen können. Doch die Generation der um die Achtzigjährigen wird sich noch gut an das große Schulgebäude an der Straßberger/Ecke Trockentalstraße erinnern, und gewiss werden nicht wenige unter ihnen sein, die in ihm ihre elementare Bildung fürs Leben erworben haben. Dieses Schulhaus würde in diesen Tagen den 140. Jahrestag seiner Eröffnung feiern, wenn es nicht am 8. April 1945 beim 12. Bombenangriff auf Plauen zerstört worden wäre.
Wie kam es zum Bau dieser Bildungsstätte, und warum trug sie seit 1920 den Namen „Krauseschule“?
Die Stadt Plauen erlebte nach 1871 ein erstes rasantes Wachstum ihrer Einwohnerzahl. Lebten zur Zeit der Gründung des Deutschen Reiches rund 23 500 Menschen in der Stadt, so verdoppelte sich ihre Zahl bis 1890 auf rund 47 000. Das stellte an die Entwicklung der städtischen Infrastruktur hohe Anforderungen, der Gestaltung des Schulnetzes galt dabei besondere Aufmerksamkeit.
Bereits in den sechziger Jahren des 19. Jh. war die 1841 geweihte Allgemeine Bürgerschule in der Syrastraße in drei sozial abgestufte selbstständige Volksschulen aufgegliedert worden, wobei die III. Bürgerschule die Kinder der sozial schwächsten Bevölkerungsschicht erfasste. Sie erhielten die wenigsten Unterrichtsstunden und zahlten auch nur das geringste Schulgeld. Sie bewohnten vornehmlich die Randgebiete der Stadt, und so war es folgerichtig, dass diese Schule 1875 einen Neubau am Anger bezog und fortan als 1. Bezirksschule ( = einfache Volksschule) firmierte. Doch sie erwies sich bereits zu ihrer Eröffnung als zu klein, um alle Kinder der sozial schwachen Eltern aufnehmen zu können. Die Stadt musste deshalb noch vor der Weihe der (späteren) Angerschule den Bau der 2. Bezirksschule in Auftrag geben. Der erfolgte an der Straßberger/Ecke Trockentalstraße und sollte eigentlich Ostern 1876, zu Beginn des neuen Schuljahres, seiner Bestimmung übergeben werden, zumal die Schule offiziell bereits 1875 gegründet worden war und vorerst „als Gast“ die Räume der Bildungsstätte am Anger nutzen musste. Erst am 9. Oktober 1876 – ein halbes Jahr später als geplant – war das für 1200 Kinder ausgelegte Schulhaus fertiggestellt und wurde ohne jegliche Feierstunde in Betrieb genommen.
Direktor der 2. Bezirksschule wurde der verdienstvolle Plauener Pädagoge Friedrich Krause (1831 – 1897). Er hatte das Plauener Lehrerseminar absolviert, seit 1851 an der Allgemeinen Bürgerschule an der Syrastraße unterrichtet und sich einen umfangreichen Erfahrungsschatz angeeignet. Er formte innerhalb kurzer Zeit ein leistungsstarkes Lehrerkollegium, das sich mit Liebe und Hingabe den anvertrauten Schülern widmete. Krause selbst verfügte über ein außerordentliches Lehrgeschick, das er nicht nur an seiner 2. Bezirksschule, sondern auch in seinen Nebenämtern als Direktor der der Schule angeschlossenen Fortbildungsschule (Vorläufer der heutigen Berufsschule) und als Lehrer an der Königlichen Baugewerkschule Plauen nachwies.
Als einzige einfache Volksschule westlich der Syra erstreckte sich der Einzugsbereich der 2. Bezirksschule von der Rußhütte an der Kauschwitzer Straße über die Tennera und das Stadtzentrum bis an die Weiße Elster, so dass manche Schüler einen ziemlich weiten Schulweg hatten. Zunächst nahmen 1020 Mädchen und Jungen den Unterricht auf. Da das Gebiet westlich der Trockentalstraße immer stärker besiedelt wurde, erhöhte sich die Schülerzahl bis 1885 auf rund 1400, der die Stadt mit dem Anbau von 6 weiteren Unterrichtsräumen (1886) gerecht zu werden glaubte. Eigentlich hätte der rege Wohnungsbau in dem neuen Stadtviertel eine zusätzliche Bezirksschule erfordert, aber das gleichzeitige Wachsen des Wohngebietes östlich der Bahnhofstraße bedurfte sie dringender. Folglich war dort 1882 die 3. Bezirksschule (spätere Schillerschule) eröffnet worden, bei deren Bau die 2. Bezirksschule gewissermaßen Pate stand. Ihre architektonischen Entwürfe konnten weitgehend übernommen werden, was der Stadt Zeit und Geld für nochmalige Projektierungen sparte.
Friedrich Krause leitete die Schule bis zu seinem Tod im Sommer 1897, und seine Amtsnachfolger Franz Bernhard Schlosser und Karl Oswald Eßbach (ab 1903) führten die seit 1896 als IV. Bürgerschule bezeichnete Bildungsstätte in seinem Sinne weiter. Dabei sahen sie sich mit einem weiteren Anstieg der Schülerzahl konfrontiert, die 1903 rund 1550 betrug. Erst die Weihe der XI. Bürgerschule (spätere Dittesschule) im Frühjahr 1905 führte zu einer Verkleinerung des Schulbezirks der IV. Bürgerschule und zur Senkung der Schülerfrequenz auf das geplante Maß.
1919 wurde in Sachsen anstelle der dreigeteilten eine einheitliche Volksschule eingeführt, was für die IV. Plauener Bürgerschule eine Anhebung ihres Bildungsauftrages bedeutete. Ein Jahr später bekamen alle Plauener Volksschulen Namen, und es lag nahe, der Einrichtung an der Straßberger/Ecke Trockentalstraße den Namen ihres ersten Direktors Friedrich Krause zu geben. Als „Krauseschule“ nahm sie in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts eine wichtige Position im Plauener Volksschulwesen ein. Doch im Kriegsjahr 1942 verlor sie ihren Bildungsauftrag. Ihre Räume wurden als Reservelazarett gebraucht, die Schüler und Lehrer wurden auf die Anger-, Dittes- und Diesterwegschule verteilt, und drei Jahre später kam es für die Krauseschule – wie für ganz Plauen – noch schlimmer. Am 8. April 1945 wurde sie im Bombenhagel schwer zerstört. Offenbar bestand sofort nach Kriegsende noch Hoffnung auf einen Wiederaufbau, denn die Diesterwegschule führte noch einige Zeit die ihr zugewiesenen Schüler der Krauseschule in separaten Akten. Doch daraus wurde nichts. Auf dem Ruinengelände wurde später eine Poliklinik errichtet, so dass die Krauseschule für uns heute nur noch in der Erinnerung lebt.