Die Höcknerschule in der Südvorstadt vor 100 Jahren eröffnet

von Roland Schmidt

 
Den meisten Plauenern wird der Name wohl nichts mehr sagen, dennoch sollte die Höcknerschule nicht vergessen werden, die vor 100 Jahren, am 15. April 1908, in der Südvorstadt als damalige Zweiganstalt der katholischen Volksschule eröffnet wurde. Seit 1899 wurden in der Plauener Ziethenstraße (heute Thomas-Mann-Straße) die Kinder katholischen Glaubens in einer besonderen Bürgerschule unterwiesen, nachdem die rasant wachsende Spitzenindustrie auch immer mehr Arbeitskräfte dieser Konfession ins Vogtland gelockt hatte. Lernten zunächst nur 179 Schüler in dieser vierstufigen Einrichtung in unmittelbarer Nachbarschaft zur katholischen Kirche, so stieg ihre Zahl in den folgenden Jahren rasch weiter an. Die Schule wurde zu klein, und mehrere Anbauten konnten auch nur kurzfristig Entlastung bringen. 1906 war sie mit 670 Schülern in 17 Klassen restlos ausgelastet. Ein zweites Schulhaus musste errichtet werden, das möglichst in einem anderen Stadtteil angesiedelt sein sollte, um die teils weiten Schulwege der katholischen Kinder abzukürzen. Die damals schnell wachsende Südvorstadt bot sich als geeigneter Standort an, und so entstand seit dem Frühjahr 1907, nur ein halbes Jahr nach der feierlichen Eröffnung der (evangelischen) XII. Bürgerschule (der heutigen Herbartschule), in dem Neubaugebiet ein weiteres Schulhaus. Für rund 55 000 Mark hatte die Katholische Schulgemeinde Plauens das Baugrundstück an der später nach dem Plauener Philosophen Johann Gottlieb Heynig (1772 – 1837) benannten Straße erworben. Das von dem Architekten Roder entworfene und von der einheimischen Baufirma Oehlschlägel & Schirmer errichtete zweistöckige Gebäude kostete rund 125 000 Mark. Weitere 14 000 Mark wurden für die moderne Innenausstattung aufgebracht, wozu damals auch Brausebäder für Schüler gehörten. Die feierliche Weihe der Schule am 15. April 1908 war nicht nur für die Katholische Schulgemeinde, sondern für ganz Plauen ein bedeutendes Ereignis. Von Chorälen umrahmt, hielt der katholische Pfarrer Rothe in Vertretung von Bezirksschulinspektor Dr. Putzger die Festansprache. Danach zeichnete der Direktor der Katholischen Bürgerschule in der Ziethenstraße, Paul Schindler, ein eindrucksvolles Bild von der Entwicklung des katholischen Schulwesens der Stadt seit 1896, und anschließend sprach der Leiter der südvorstädtischen Zweigstelle, Johannes Bergmann, über den Geist der neuen Schule und die Ziele seiner Arbeit. Wenige Tage später, nach den Osterferien, nahmen dann 230 Schüler in 8 Klassen sowie 5 Lehrer das Gebäude in Besitz. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg konnte die Schule ihre Leistungsfähigkeit kontinuierlich steigern, danach wirkte sich die zunehmende Kriegsnot der Zivilbevölkerung auch auf den Unterricht der Kinder negativ aus. Das sächsische Übergangsschulgesetz vom 22. Juli 1919 hob die konfessionelle Trennung der Volksschulen zugunsten einer „allgemeinen Volksschule“ auf, die von allen Kindern des jeweiligen Schulbezirks zu besuchen war. Dagegen räumte der „Schulkompromiss“ der Weimarer Verfassung, die drei Wochen später in Kraft trat, den Religionsgemeinschaften das Recht ein, Volksschulen ihres Bekenntnisses zu betreiben. Diese beiden widersprüchlichen Positionen führten in ganz Sachsen zu komplizierten juristischen Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und den Kirchen beider Konfessionen, in Plauen lösten sie gar im Herbst 1920 einen zweimonatigen Schulstreik aus, der in ganz Deutschland Aufsehen erregte. Viele katholische Eltern weigerten sich, ihre Kinder in die nunmehr konfessionslosen Volksschulen der Stadt zu schicken. Erst durch Vermittlung der Reichsregierung gelang es, eine Kompromissformel zu finden, die die katholischen Eltern zufriedenstellte, indem die Schulen in der Ziethen- und in der Heynigstraße weiterhin vornehmlich katholischen Kindern offenstanden. Zuständig für die Schule in der Südvorstadt war aber fortan die Stadt, die das Gebäude und das Grundstück – wie analog auch in der Ziethenstraße – der katholischen Gemeinde abgekauft hatte. Bereits im August 1920 hatte der neue Schulträger die jetzt selbstständige Bildungsstätte im Zuge der allgemeinen Namensgebung der Volksschulen nach Karl Friedrich Höckner (1821 – 1887) benannt. Die Stadt Plauen ehrte damit einen ihrer verdienstvollsten Pädagogen, der von 1870 bis zu seinem Tode der III. Bürgerschule (spätere Angerschule) vorstand. Nachdem im Herbst 1944 Teile des Plauener Krankenhauses zerstört worden waren, diente das Schulgebäude im Winter 1944/45 als Notunterkunft für die Nervenklinik, bevor es bei dem Bombenangriff am 19. März 1945 schwer getroffen wurde und völlig ausbrannte. Noch lange Zeit waren ihre Ruinen vom Hügel rechts des Milmesbaches zu sehen, bevor sie in den fünfziger Jahren abgetragen wurden.