Die Ausschulungen aus dem Elsterberger Schulbezirk im 18. Jahrhundert

von Roland Schmidt

 
In früheren Zeiten hatten die Kinder vieler vogtländischer Dörfer weite Schulwege zurückzulegen. Fußmärsche von mehr als einer Stunde und dasselbe noch einmal für den Rückweg waren durchaus keine Seltenheit. Die Schule befand sich in der Regel in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche, und zu einer Kirche gehörten meistens mehrere Dörfer, oftmals mehr oder weniger abgelegen und nur über schlechte Wege erreichbar. Für manche Kinder war das oft genug ein Grund, der Schule fernzubleiben, und viele Gemeinden waren deshalb bemüht, für ihre Kinder eigene Schulen zu schaffen. Das war aber gar nicht so einfach, wie es das Beispiel des Elsterberger Schulbezirks zeigt. Vor etwa 300 Jahren gehörten zum Kirchspiel außer der Stadt elf Dörfer in der Umgebung. Ihre Bewohner waren nicht nur der Elsterberger Kirchgemeinde zugehörig, vielmehr hatten die Kinder dieser Dörfer auch die Elsterberger Schule zu besuchen. Das geschah aber keineswegs regelmäßig, und der weite Schulweg war dafür oft die entscheidende Ursache. Schuldzuweisungen der Pfarrer oder Lehrer gegen die Eltern brachten keine Besserung, und auch offizielle Aufforderungen zur korrekten Erfüllung der Schulpflicht bewirkten nichts. So hatte im Jahre 1720 die vorgesetzte Kirchen- und Schulbehörde verfügt, dass alle zum Kirchspiel Elsterberg gehörenden Schüler die EIsterberger Stadtschule zu besuchen hätten. Jeglicher Unterricht durch Katecheten in den umliegenden Dörfern wurde verboten. Den Lehrern an Schulen in benachbarten Kirchspielen, zum Beispiel in Limbach und Ruppertsgrün, wurde bei Strafe untersagt, Schüler auf- zunehmen, die eigentlich in die Elsterberger Schule gehörten. Doch auch diese drastische Maßnahme löste keineswegs das Problem, vielmehr führte dieser starke Zwang zu entschiedeneren Überlegungen der Gemeinden, eigene Lösungen zu finden. Immer selbstbewusster lehnten sie sich gegen das Ansinnen auf, ihre Kinder bei Wind und Wetter den langen Schulweg nach Elsterberg gehen zu lassen. Sie forderten einen eigenen Lehrer für ihr Dorf, und sie griffen sogar zur Selbsthilfe, wenn dieser ihnen verweigert wurde. So stellten Reimersgrün, Brockau und Christgrün 1773 gemeinsam einen eigenen „Kinderlehrer" an, der ihre Kinder unterrichtete. Doch dagegen erhob der Elsterberger Pfarrer nicht nur entschiedenen Protest, vielmehr entfaltete sich daraus ein Streit, der sich über 19 Jahre hinzog und erst im Jahre 1791 mit einem Vergleich endete. Der sah vor, dass die drei Gemeinden nur die Kinder im Alter von neun bis 12 Jahren selbst beschulen durften und dafür an die Elsterberger Kirch- und Schulkasse eine finanzielle Entschädigung zu entrichten hatten. Für jeden Knaben waren das vier und für jedes Mädchen acht Groschen im Jahr. Darüber hinaus hatte die Gemeinde den Elsterberger Lehrern jährlich 16 Taler für entgangenes Schulgeld zu zahlen. Für Schüler über 12 Jahre gab es dann keinerlei Kompromisse, sie mussten den weiten Weg nach Elsterberg gehen. Die auferlegten „Strafgelder" haben die genannten Dörfer und ihre Bürger beträchtlich belastet, die an Elsterberg zu zahlenden Taler hätten sie in der eigenen Gemeinde dringender benötigt. Dennoch erwies sich dieses Verfahren als wirksamer Weg, eine eigene Schule im Ort zu schaffen und damit die Kinder von weiten Schulwegen zu befreien. So baute die Gemeinde Brockau in den Jahren 1792/93 ein eigenes Schulhaus, in dem zunächst auch die Kinder der Nachbargemeinden mit unterrichtet wurden. 1805 stellte dann Reimersgrün einen eigenen Kinderlehrer an, und 1820 tat Christgrün dasselbe. Die Elsterberger Pfarrer waren über diese Entwicklung keineswegs erfreut, zumal auch andere Dörfer die gleichen Schritte vollzogen. Der Elsterberger Schulbezirk wurde immer kleiner, gleichsam verkürzte sich der Schulweg der Dorfkinder. Als 1840 ein verheerender Brand fast die gesamte Stadt Elsterberg in Schutt und Asche legte, änderte sich die Situation völlig. Waren bislang die Schulen in den Dörfern des Umlandes den Pfarrern des Elsterberger Kirchspiels suspekt, so waren sie jetzt willkommen, um wenigstens für einen Teil der Schüler den Unterricht ungestört fortsetzen zu können. Die ehemals von Elsterberg in seinem Sprengel ausgeübte „Schulhoheit" war für immer gebrochen.