Carl Friedrich Höckner zum 125. Todestag

von Roland Schmidt

 
„Ein großer Zug Leidtragender, wie man solchen in Plauen noch nie gesehen, gab dem Verstorbenen das Geleit“ - mit diesen Worten berichtete eine Plauener Zeitung am 17. März 1887 über die Beerdigung von Carl Friedrich Höckner. Diese Wertung war nicht übertrieben, trauerte doch ganz Plauen um einen Mann, der sich um das Wohl der Stadt hohe Verdienste erworben hatte, wobei er sich der Armen und sozial Schwachen besonders verpflichtet fühlte. Ob als Lehrer, Schuldirektor, Pionier der Turnbewegung, Leiter eines Gesangvereins, Mitglied und später Meister des Stuhles der Freimaurerloge, Stadtverordneter, Mitglied des Armenausschusses der Stadt..., - man könnte die Aufzählung fortsetzen – in all diesen Funktionen wirkte er mit Tatkraft, mit Überzeugung, vor allem aber mit einem hohen Maß an Nächstenliebe, besonders für die Bedürftigen und Benachteiligten. Wer war Carl Friedrich Höckner, wie war sein Werdegang, was führte ihn zu dieser Lebenshaltung, der er jederzeit durch praktisches Tun treu blieb? Carl Friedrich Höckner wurde am 18. April 1821 in Plauen geboren. Sein Elternhaus stand am Neumarkt. Diese Standortbezeichnung ist heute nicht mehr geläufig, und ich habe mich auch erst bei Frau Doris Naumann vom Stadtarchiv Plauen und bei meinem Vereinskollegen Dr. Gerd Kramer kundig machen müssen. Der Neumarkt befand sich an der heutigen Neundorfer Straße/Ecke Seminarstraße/Marienstraße. Höckners Vater, Johann Gottfried Höckner, war Webermeister und später Baumwollwarenhändler in Plauen. Ursprünglich stammten er sowie seine Ehefrau Johanna Christiane geb. Götzen aus der Gegend des heutigen Hohenstein-Ernstthal, wo sie 1809 auch geheiratet hatten. Aus der Ehe gingen mindestens 7 Kinder hervor (als Beleg fand ich nur die „Geburtsannoncen“, es bleibt offen, ob sie vollständig sind), Carl Friedrich war demnach das zweitjüngste Kind der Familie. Carl Friedrich Höckner besuchte in Plauen zunächst die Torschule am Neuen Markt (auch Torschule am Neundorfer Tor genannt). Dort wurde er – wie viele andere Kinder – inmitten des Familienlebens und der Verrichtungen anderer Hausbewohner mehr schlecht als recht in den Elementarkenntnissen unterwiesen, das Niveau war entsprechend niedrig. Nach kurzer Zeit wechselte er an die Stadtschule am Schulberg, wo er vor allem von den Magistern Johann Friedrich Georg Kolbe (* 1771) und August Gottfried Wagner (* 1766) sowie Kantor Johann Friedrich Fincke (1788 – 1868) unterrichtet wurde. Sie erkannten sehr bald die hohe Leistungsfähigkeit des Knaben und vor allem auch sein pädagogisches Geschick, so dass sie ihn als 13-Jährigen bereits mit der Aufgabe betrauten, schwächeren Mitschülern Nachhilfe zu erteilen. Damit wurde zugleich die entscheidende Weiche für Höckners weiteren Lebensweg gestellt: 1837 trat er in das Plauener Lehrerseminar ein, um sich auf eine Anstellung als Volksschullehrer vorzubereiten. Es ist erstaunlich, was er in den fünf Jahren bis 1842 in diesem Seminar lernte, zumal es genau jene Jahre waren, in denen die Lehrerbildungsstätte dreimal innerhalb der Stadt ihren Standort wechseln musste. An Höckner ging das offenbar spurlos vorüber, er nutzte die Zeit zur eigenen geistigen Bildung, zur körperlichen Ertüchtigung und zu Reisen. Über all das finden sich in seinem im Stadtarchiv bewahrten Nachlass aufschlussreiche Dokumente. So zum Beispiel ein von ihm vorbereitetes katechetisches Unterrichtsgespräch (der Lehrer fragt, der Schüler antwortet usw., jeder Frage folgt die vom Lehrer gewünschte richtige Antwort) über die Pflichten der Kinder gegenüber ihren Eltern – eine bemerkenswerte Leistung des 16-jährigen Seminaristen. Wir finden in diesem Nachlass auch Höckners Erkenntnisse für effektives Lernen der vier Grundrechenarten festgehalten, einen ausführlichen Bericht über seine Reise nach Dresden sowie eine Beschreibung der Festung Königstein, eine von ihm erarbeitete Beweisführung der Kugelgestalt der Erde, Notizen über seinen Klavier- und Geigenunterricht am Seminar, eine handschriftliche Sammlung von Tänzen sowie seine erste eigene Komposition. Schließlich sei nicht vergessen, dass Höckner in dieser Zeit auch fleißig die Turnübungen in Heubners Garten besuchte – er gehörte also mit zu den Pionieren der Turnbewegung im Vogtland und damit in Sachsen! Dieses umfangreiche Arbeitspensum war typisch für Höckner, so dass er 1842 – noch vor dem offiziellen Abschluss seiner Seminarausbildung – eine Anstellung an der Plauener Allgemeinen Bürgerschule in der Syrastraße erhielt. Dieses Schulhaus war ein Jahr vorher eingeweiht worden. 1842 wurde es von rund 1500 Kindern besucht, die sich in 3 Abteilungen untergliederten und somit den Bestimmungen des ersten sächsischen Volksschulgesetzes vom 6. Juni 1835 entsprachen. Sie grenzten sich in ihrer Zielsetzung, in der Zahl der Unterrichtsfächer und -stunden, in den Klassenfrequenzen und auch im Schulgeld deutlich voneinander ab. Während für die relativ wenigen Jungen und Mädchen der 1. Abteilung eine Realschulbildung angestrebt (aber noch nicht ganz realisiert) wurde (also auch mit Latein für die Jungen und Französisch für die Mädchen), waren in der 3. Abteilung die Kinder zusammengefasst, die „wegen häuslicher Verrichtungen oder Arbeit in den Fabriken täglich höchstens 3 bis 4 Stunden Unterricht haben können“. Diese bezogen sich auf Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen, Gesang und Naturkunde. Diese 3. Abteilung erhielt im Durchschnitt etwa nur halb soviel Unterrichtsstunden pro Woche wie die 1. Abteilung. Hinsichtlich der Klassenstärke war das Verhältnis genau umgekehrt. In den Klassen der 1. Abteilung saßen maximal 30 Schülerinnen oder Schüler, dagegen zählten die beiden untersten Klassen der 3. Abteilung 96 Jungen bzw. 93 Mädchen, und das als Schulanfänger! Es fällt uns heute schwer, diese Zahlen zu glauben, doch sie waren damals die Realität. Für die insgesamt 1500 Schüler standen nur 17 Lehrer zur Verfügung, denen Adolph Gustav Caspari (1805 – 1874) als Direktor vorstand. Caspari war ein umsichtiger Leiter der Schule, er kämpfte regelrecht um ihre ständige Verbesserung, und er war vor allem bemüht, engagierte junge Lehrer zu verpflichten. Ein solcher war Carl Friedrich Höckner, so dass er im Frühjahr 1842 ganz zielgerichtet um dessen Anstellung als 18. Lehrer an der Allgemeinen Bürgerschule warb, zumal sich die Zahl der Kinder um weitere 170 vermehrt hatte. Wie wichtig ihm Höckner war – wohlgemerkt, noch bevor er das Seminar offiziell beendet hatte – belegen Casparis Eintragungen in der von ihm geführten Chronik der Bürgerschule zu Plauen. Unter dem 3. März 1842 notierte er, die Anstellung Höckners sei von der Stadt genehmigt worden, um dann festzustellen: „Gott sei Dank! Nun kann es besser werden mit unserer Schule.“ Natürlich war dieser Ausruf der Erleichterung nicht allein an die Person Höckners geknüpft, sondern an die Gesamtsituation des Lehrerkollegiums, doch der erst 21-jährige angehende Lehrer hat ihn in der Folgezeit nie enttäuscht. Er unterrichtete die beiden 6. Klassen (eine Knaben- und eine Mädchenklasse) der 2. Abteilung als Klassenlehrer (er erteilte dort also fast die gesamten Wochenstunden), später rückte er in ältere Klassen auf. Als 1844 der Turnlehrer der Bürgerschule, Ernst Anders, plötzlich versetzt wurde, drohte dieses neue Unterrichtsfach (das es laut Gesetz eigentlich noch nicht gab) wieder gestrichen zu werden. Doch sechs turnbegeisterte Lehrer der Schule verständigten sich, den Turnunterricht solange gemeinschaftlich weiterzuführen – und zwar unentgeltlich – bis ein neuer Turnlehrer gefunden war. Das gelang – einer der sechs Lehrer war Carl Friedrich Höckner! Obwohl seine Arbeit die volle Anerkennung der Vorgesetzten fand, blieb Höckner 8 Jahre lang auf der Stelle als Hilfslehrer sitzen, die mit dem bescheidenen Gehalt von 150 Talern im Jahr dotiert war. Das war an und für sich ungewöhnlich, zwei bis drei Jahre wären normal gewesen (bis zur Ablegung der Wahlfähigkeitsprüfung = 2. Lehrerprüfung), für Plauens Verhältnisse damals aber durchaus die Regel, denn für die längst überfälligen Beförderungen fehlte einfach das Geld. Es kennzeichnete Höckners Berufs- und Lebenshaltung, dass ihn nicht materielle Verlockungen in besser bezahlte Anstellungen reizten, sondern die gründliche Arbeit mit den Kindern und damit die Vervollkommnung seines pädagogischen Könnens. Dabei standen ihm sein Direktor Adolph Gustav Caspari sowie viele andere Lehrer mit Rat und Tat zur Seite. Von 1853 bis 1857 arbeitete er auch mit dem jungen Friedrich Dittes – später einer der bekanntesten deutschen Pädagogen – zusammen . Doch damit nicht genug: Höckner erteilte gleichzeitig auch als Privatlehrer Elementarunterricht für Kinder angesehener Familien der Stadt sowie Mathematik an der Baugewerken- und an an der Handwerkerschule (ehemals Sonntagsschule). Höckners hohe Berufsauffassung, seine umfangreichen Kenntnisse und sein großes pädagogisches Geschick empfahlen ihn für höhere Aufgaben im Plauener Schulwesen. Nachdem sich die seit 1841 bestehenden drei Abteilungen der Allgemeinen Bürgerschule in den fünfziger und beginnenden sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts weiter differenziert hatten, stand die Frage ihrer räumlichen und personellen Trennung auf der Tagesordnung. Zunächst verließ 1861 die 2. Abteilung das Schulhaus an der Syrastraße, sie bezog den Neubau in der Neundorfer Straße (spätere Lutherschule, heute das Gebäude der Vogtland-Bibliothek). 1864 wurden die drei Abteilungen der Bürgerschule zu jeweils eigenständigen Schulen erhoben, wobei die I. und die III. Bürgerschule nicht nur weiterhin unter einem Dach in der Syrastraße verblieben, sondern auch bis 1870 mit Adolph Gustav Caspari einen gemeinsamen Direktor hatten. Erst 1869 beschloss der Stadtrat, für die III. Bürgerschule einen eigenständigen Leiter zu berufen. Den Vorschriften folgend, schrieb die Stadt die Stelle sachsenweit aus, doch eigentlich hatte sie sich längst entschieden. Es gingen nämlich 32 Bewerbungen aus allen Teilen des Königreiches ein, doch kein Kandidat wurde zu den üblichen Probelektionen eingeladen, und selbst zwischen den Bewerbern aus der Stadt – Friedrich Heynig, Friedrich Krause, Franz Louis Hunger und Carl Friedrich Höckner – kam es zu keinem Wettstreit, sondern nur zu einer Wahl durch die Stadträte. Die brachte am 13. 2. 1870 ein klares Votum für Höckner. Er erhielt 8 Stimmen, Friedrich Krause eine, die beiden anderen gingen leer aus. Zwei Tage später wurde Höckner offiziell über das Wahlergebnis informiert, und er nahm das mit 700 Talern Jahresgehalt dotierte neue Amt an, von dem sein Mitbewerber, langjähriger Kollege und Freund Friedrich Krause sagte, es verlange „einen Mann von großer Erfahrung, ausgebreiteter Kenntnisse und unbeugsamer Energie.“ Diesen Anforderungen wurde Höckner jederzeit gerecht, wenn das auch nicht ganz einfach war. Das kleinere Problem war die Notwendigkeit, dass die nunmehr von Höckner geleitete III. Bürgerschule räumlich weiterhin mit der I. Bürgerschule verbunden blieb, er also nach 28 Jahren der Unterstellung unter Caspari nunmehr seinem ehemaligen Vorgesetzten auf gleicher Ebene begegnen musste. Das dauerte bis 1873, als Caspari in den Ruhestand ging, erforderte aber ein erneutes Verständigen, als dessen Nachfolger Karl Eduard Otto Böhme sein Amt antrat, und der war 23 Jahre jünger als Höckner! Erst 1874 begannen am Anger die Bauarbeiten für ein eigenständiges Gebäude für die III. Bürgerschule, das 1875 bezogen werden konnte. In dieser Schule – sie erhielt 1920 den Namen Angerschule – fungierte Carl Friedrich Höckner bis zu seinem Tod im Frühjahr 1887. Viel gravierender waren die sozialen Probleme, die es an der III. Bürgerschule zu bewältigen gab. Höckner war sich ihrer von Anfang an in vollem Maße bewusst. Aus langjähriger Erfahrung war ihm klar, dass in vielen Elternhäusern seiner Schüler der Kampf um das täglich Brot weit wichtiger war als das schulische Lernen der Kinder, und er kannte nicht wenige Familienverhältnisse, deren soziale Situation dem Erziehungsauftrag der Schule entgegenstand. Umso entschiedener kämpfte er um bessere Bildungsmöglichkeiten für die sozial Schwachen. So gelang es ihm, durch höhere städtische Aufwendungen die ursprünglich vierstufige III. Bürgerschule zu einer siebenstufigen Einrichtung (die oberste Klasse umfasste zwei Jahrgänge) auszubauen. Dennoch mussten die Erfolge bescheiden bleiben, denn 60 Schüler pro Klasse setzten der Arbeit der Lehrer eindeutige Grenzen. Viele Schüler konnten dem Unterricht nicht mehr folgen, und auf Hilfe durch die Eltern konnten die meisten nicht hoffen. Da traf Carl Friedrich Höckner – erstmals für Plauen – eine neue Maßnahme. Er fasste die leistungsschwachen Schüler der Klassenstufen VI und V in besonderen Nachhilfeklassen zusammen. Doch auch Schüler mit körperlichen und geistigen Behinderungen fanden hier Aufnahme, da es die für sie notwendigen spezifischen Bildungsstätten damals nur in Großstädten wie Leipzig und Dresden gab, die aber für Vogtländer finanziell und verkehrstechnisch kaum erreichbar waren. In den Nachhilfeklassen erfuhren die Schüler eine spezielle Förderung, um die jeweiligen Klassenziele zu erreichen. Das gelang in vielen, keinesfalls in allen Fällen, die Mehrzahl dieser Kinder konnte aber in die höhere Klasse versetzt werden. Dort freilich – und das schmerzte die Lehrer und vor allem Höckner selbst – konnten die Nachhilfeklassen wegen fehlendem Lehrpersonals nicht mehr weitergeführt werden. Dennoch machte Höckners Beispiel in Plauen Schule. So führte auch Friedrich Krause als Direktor der IV. Bürgerschule, die 1876 an der Trockental-/Ecke Straßberger Straße eröffnet worden war (die spätere Krauseschule), spezielle Nachhilfeklassen und -stunden für alle Klassenstufen ein. Ein Vierteljahrhundert später griff Johannes Delitsch diese Ansätze einer Förderung leistungsschwacher Schüler auf und entwickelte sie weiter, so dass 1906 in Plauen eine eigenständige Hilfsschule gegründet werden konnte. Zu Höckners Pflichten als Direktor der III. Bürgerschule gehörte auch die Leitung der Fortbildungsschule. Diese war 1873 per Volksschulgesetz allen 14-17-jährigen Knaben zur Pflicht erklärt worden, darüber hinaus gab es auch eine zweijährige Fortbildungsschulpflicht für Mädchen, die Plauen damals als einziger Ort in Sachsen durchgesetzt hatte. Der Unterricht umfasste wöchentlich bis zu 6 Stunden und fand meist in den frühen Abendstunden in der Schule am Anger statt. 1885 besuchten 247 junge Männer und 143 junge Mädchen die Fortbildungsschule. Den Unterricht erteilten 10 Lehrkräfte der III. Bürgerschule, einer davon war Carl Friedrich Höckner. Schließlich trug er auch die Verantwortung für einen der ersten Volkskindergärten in Plauen, der ebenfalls in der Schule am Anger untergebracht war. Die Idee, einen solchen Kindergarten nach Fröbels Vorbild für die Kinder sozial schwacher Schichten zu gründen und eben an die III. Bürgerschule anzugliedern, war 1869 von dem Bürgerschullehrer Curt Bremser (damals 25 Jahre alt!) an den Stadtrat herangetragen worden. Höckner griff sie begeistert auf, wobei es ihm um eine möglichst gute Schulvorbereitung der Kinder armer Eltern ging. Es war ein großer Aufgabenbereich, den Carl Friedrich Höckner zu verantworten hatte. Doch er tat es mit großer Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit, wobei er gegenüber seinen Lehrern nicht den Direktor herauskehrte, sondern ihnen als Kollege, Ratgeber und väterlicher Freund entgegenkam. Das belegen seine Aufzeichnungen über Hospitationen in den verschiedensten Klassenstufen seiner Schule (im Stadtarchiv liegen u.a. Notizen vom 21. Februar 1887, drei Wochen vor seinem Tod!), in denen er kritische Einschätzungen über die Lehrer festhielt, zugleich aber auch Vorschläge, wie man eine Aufgabe besser bewältigen kann. Das verschaffte ihm hohe Anerkennung bei seinen Lehrern, aber auch die Schüler und viele Eltern zollten ihm entsprechenden Respekt. Doch Carl Friedrich Höckner war nicht nur ein pflichtbewusster Schuldirektor, sondern spielte auch im übrigen gesellschaftlichen Leben der Stadt eine bedeutende Rolle. Seine Begeisterung für das Turnen wurde hier bereits mehrfach erwähnt, und er blieb seinem Sport ein Leben lang treu. Gleichermaßen frönte er dem Gesang, denn die Musik begeisterte ihn seit seiner Ausbildung am Plauener Lehrerseminar.So trat er in den Gesangverein „Ressource“ ein, dem damals viele sangesfreudige Plauener angehörten. Als dieser Chor 1855 plötzlich einen neuen Chorleiter benötigte, fiel die Wahl auf Höckner – ein arbeitsreiches Amt, das er gut 20 Jahre hindurch zur vollen Zufriedenheit ausübte. Doch schon Jahre vorher hatte er sich durch verschiedene Dirigate dafür empfohlen. So würdigte Superintendent Beyer in einer Rezension vom 4. Mai 1852 einen Auftritt des Gesangvereins „Ressource“ die Tatsache, dass es sich um einen Laienchor handelte, der „durch Herrn Höckners schön aufsteigendes Talent zu einem harmonischen Ganzen vereinigt wurde“, was von den Zuhörern mit aufrichtigem Beifall honoriert wurde. Es wären zahlreiche andere würdigende Rezensionen von Chorauftritten unter Höckners Leitung zu nennen. 1877 gab er den Dirigentenstab weiter, um eine noch umfangreichere Funktion zu übernehmen. Er wurde „Meister vom Stuhl“ der Plauener Freimaurerloge „Zur Pyramide“. Diese Loge war 1820 gegründet worden, nachdem die Vorgängerorganisation „Zu den drei Flammen“ 1815 aufgelöst worden war. Höckner war dieser Loge, die damals ihr Domizil in der Inneren Straßberger Straße 40 hatte, 1846 beigetreten. Er durchlief alle Dienstgrade des mehr im Geheimen arbeitenden Männerbündnisses, das sich der freien Entfaltung der Persönlichkeit, der Hilfsbereitschaft und dem sozial gerechten Zusammenleben der Menschen verpflichtet fühlte. Seit 1877 trug er als „Meister vom Stuhl“ die Verantwortung für die gesamte Plauener Loge, darüber hinaus war er Ehrenmitglied von Freimaurerlogen in 7 weiteren Städten Sachsens, Thüringens und Bayerns. Kurz vor Höckners Amtsantritt hatte die Plauener Loge ihr neues, von Arwed Roßbach entworfenes Haus in der Windmühlenstraße bezogen. Über die konkrete Arbeit der Organisation kann hier kaum etwas gesagt werden, denn über die Sitzungsinhalte durfte nichts nach außen dringen. Doch wir kennen Höckners Leitmotiv jeglichen Handelns „Was wäre unser Leben, wenn nicht das bisschen Liebe wäre, mit der wir einander ertragen!“ - in diesem Sinne übte er auch sein Amt als „Meister des Stuhls“ aus, und in diesem Sinne auch seine vielfältigen anderen gesellschaftlichen Funktionen in der Stadt, die ich hier nur aufzählen kann: Carl Friedrich Höckner war viele Jahre hindurch Leiter des Kirchenvorstandes, Stadtverordneter und Friedensrichter, er war Mitglied des Schulausschusses der Stadt sowie des Armenausschusses von Plauen, und er leitete den Verein zur Unterstützung armer Kinder sowie die Witwen- und Waisenkasse der Plauener Volksschullehrer. Er war – so schrieb 1929 der Plauener Bürgerschullehrer Rudolf Seifert über ihn – ein Mensch, dessen Herz in echter Pestalozzi-Liebe für die Verlassenen und Armen, für die sozial Benachteiligten aller Altersgruppen schlug. Er setzte sich für sie ein, wo er konnte und wo er Missstände grundsätzlich beseitigen und damit möglichst vielen Menschen helfen konnte. Doch Höckners Herzensgüte verbot es ihm auch, armen Bittstellern – und deren gab es viele – einfach die Tür zu weisen. Im Gegenteil, es gibt viele Aussagen über Höckner, dass er mit diesen Bedürftigen sprichwörtlich das letzte Hemd geteilt habe. Bei all der Leidenschaft, mit der Höckner seinen Beruf ausübte, bei all seinem Einsatz für die sozial Schwachen bleibt die Frage: Hatte Carl Friedrich Höckner auch eine Familie? Ja! Er war mit Friederike Luise Gräf verheiratet. Sie war 14 Jahre jünger als ihr Mann, und sie war seine ehemalige Schülerin in der Schule an der Syrastraße. Geheiratet haben beide im Jahr 1855, nachdem die Braut das 21. Lebensjahr vollendet hatte, also „majoren“ geworden war. Aus dieser Ehe gingen mindestens 7 Kinder hervor. Diese jedenfalls sind durch entsprechende Patenbriefe in Höckners Nachlass belegt, ob sie aber vollständig erhalten sind, muss hier offenbleiben und durch weitere Recherchen im Taufregister der Johanniskirche geklärt werden. Wie fürsorglich sich Höckner gegenüber seinen Kindern verhielt, zeigen die für jedes Kind kurz nach der Geburt angelegten „Kontobücher“, persönliche Sparbücher für kleine und kleinste Beträge. Das galt für den erstgeborenen Sohn Carl Ludwig (*1856), der 1878 in die Freimaurerloge aufgenommen wurde und später in St. Gallen als Kaufmann tätig war und geschäftlich auch in den USA zu tun hatte. Das belegen das Sparbuch für die Tochter Karoline Luise (*1857), die nur ein anderthalbes Jahr alt wurde, und auch die Bücher für die nachfolgenden Geschwister Reinhard, Johanna, Paul, Ludwig und Martha. Als die Tochter Karoline Luise Anfang 1859 starb, überwies Höckner die geringe angesparte Summe zu gleichen Teilen auf die Konten der damals zwei Geschwister Carl Ludwig und Reinhard. Diese Sorgfalt übte Höckner auch in der Wirtschaftsführung der gesamten Familie aus, wovon das „Ausgabenbuch von Frau Direktor Luise Höckner“ kündet. In diesem Buch wurden alle Ausgaben der Haushaltsführung und für Lebensmittel aufgelistet – schon der Titel des Buches verrät, dass nur Höckner der Urheber des Buches sein kann. Die Eintragungen enden im März 1887, wenige Tage vor Höckners Tod. Carl Friedrich Höckner starb nach kurzem Krankenlager am 13. März 1887 im 66. Lebensjahr. Die Zeitungen schrieben von einer Darmentzündung als Todesursache. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Plauener Friedhof I, wo heute noch das Grabmal der Familie Höckner zu finden ist.Hier wurden 1912 auch seine Frau Luise sowie 1945 seine Tochter Johanna und drei Jahre später seine Tochter Martha , verehelichte Weidhaas, beerdigt. Das Grabmal wird von Zirkel und Winkel geschmückt, den Symbolen der Freimaurer. (Diese Informationen verdanke ich Frau Brigitte Kunze). Elfeinhalb Jahre nach Höckners Tod, im Sommer 1898, gründete sich in Plauen die Höckner-Stiftung. Sie verfolgte das Ziel, von den Zinsen eines Grundkapitals jährlich einem würdigen Schüler der III. Bürgerschule am Anger, „der bei seinem Übergange ins bürgerliche Leben ein Gewerbe erlernen will,“ eine einmalige Unterstützung zu gewähren. Diese Stiftung erfüllte über viele Jahre ihren guten Zweck, wenn sie auch durch die Inflation 1923 und die Wirtschaftskrise 1929/32 immer mehr an Kapital verlor. In der letzten Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Zinserträge so gering, dass die Auszahlung nicht lohnte. Die Zerstörung der Angerschule 1945 dürften auch der Höckner-Stiftung das endgültige Aus gebracht haben. Heute, 125 Jahre nach dem Tod von Carl Friedrich Höckner, erinnert nicht mehr viel an Höckners Verdienste um das Schulwesen und um das Wohl der sozial Schwachen in der Stadt Plauen. Seine beiden Wirkungsstätten, die Bürgerschule in der Syrastraße und die III. Bürgerschule (spätere Angerschule) fielen 1945 den Bomben zum Opfer. Dasselbe Schicksal erlitt die Höcknerschule in der Südvorstadt, die ehemals 2. katholische Volksschule, die zwar erst 21 Jahre nach seinem Tod erbaut worden war, aber ihm zu Ehren seit 1920 seinen Namen trug. Der sich am gleichen Ort befindende Höcknerplatz spielt im gesellschaftlichen Leben der Stadt kaum eine Rolle. So bleiben nur die Gedenktafel an seinem langjährigen Wohnsitz in der Schlossstraße 10 und das Grabmal auf dem Friedhof I (die beide freilich einer Auffrischung bedürften) als bescheidene äußere Erinnerungsstätten. Umso mehr sollten wir deshalb das Andenken an Carl Friedrich Höckner in unseren Herzen bewahren, denn sein Leben und Wirken für die Kinder und für das Gemeinwohl hat uns auch heute noch viel zu sagen.