1920: Plauens Volksschulen erhalten Namen

von Roland Schmidt

 
Heute sind uns ihre Namen alle geläufig. Jeder Plauener weiß, dass die Herbartschule in der Südvorstadt und die Seumeschule in Haselbrunn zu finden ist. Doch das war nicht immer so, denn bis 1920 waren die Plauener Volksschulen nur durch Nummern gekennzeichnet. Diese hatten sie in der Reihenfolge ihrer Weihe bzw. ihrer Zugehörigkeit zum städtischen Volksschulwesen erhalten, und so gab es bis zum Ende des Ersten Weltkrieges in Plauen die 1. bis 14. Bürgerschule. Sie wurden von Kindern evangelischer Eltern, aber auch von Dissidenten besucht, während die Söhne und Töchter katholischer Eltern in der 1. oder 2. katholischen Bürgerschule unterrichtet wurden, die sich in unmittelbarer Nähe zur katholischen Kirche bzw. am Höcknerplatz in der Südvorstadt befanden. Sie alle waren mittlere oder einfache Volksschulen, die sich durch ihr Bildungsangebot und folglich auch durch die Höhe des zu zahlenden Schulgeldes unterschieden. Darüber hinaus gab es an der Karl-/Ecke Ziegelstraße die 1. und nahe des Sternplatzes die 2. höhere Bürgerschule, die in ihrem umfassenderen Lehrplan auch Fremdsprachen auswiesen, dafür aber noch höheres Schulgeld verlangten. Schließlich befand sich in der Seminarstraße die Hilfsschule. Dieser „Zahlensalat“ innerhalb des Plauener Volksschulwesens bereitete allmählich Schwierigkeiten, und sie vergrößerten sich noch, als das sächsische „Übergangsgesetz für das Volksschulwesen“ vom 22. Juli 1919 auch in Plauen eine Neustrukturierung des Volksschulwesens erforderte. Die bisherige Unterscheidung in einfache, mittlere und höhere sowie in evangelische und katholische Volksschulen entfiel, an ihre Stelle trat die einheitliche „allgemeine Volksschule“, die zumindest in ihren unteren Klassen von allen Kindern besucht werden sollte. Die Notwendigkeit, die alten Schulbezeichnungen aufzugeben und durch neue zu ersetzen, führte zu dem Entschluss, den Plauener Volksschulen Namen zu geben. Diese Idee war jedoch nicht neu, sondern war bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden. Die damals rasante Entwicklung Plauens zur Großstadt hatte viele Schulneubauten erfordert. So waren in den Jahren von 1902 bis 1913 sechs große Volksschulen erbaut worden, kurz zuvor waren die Haselbrunner, Chrieschwitzer und Reusaer Schule durch die Eingemeindung dieser Orte städtische Einrichtungen geworden. Als am 29. April 1905 – wenige Tage vor dem 100. Todestag Friedrich Schillers – die XI. Bürgerschule (heutige Dittesschule) geweiht wurde, regte ein Leser des „Vogtländischen Anzeigers“ an, die neue Bildungsstätte „Schillerschule“ zu nennen und auch für die anderen Plauener Volksschulen passende Namen zu finden. Seine Anregung blieb damals unbeachtet, doch 15 Jahre später änderte sich das. Im Frühjahr 1920 verfolgte das städtische Schulamt und der Plauener Lehrerverein dieselbe Zielstellung. Der Stadtrat war prinzipiell einverstanden und bat, eine Vorschlagsliste zu erarbeiten. Sie wurde in der Ratssitzung am 22. Juli 1920 diskutiert und fand - bis auf zwei Ausnahmen – allgemeine Billigung. Am einfachsten war die Benennung der Schulen nach ihrem Standort bzw. nach einem markanten Punkt in ihrer Nähe, also nach dem Kemmler, dem Anger und nach den Ortsteilen Chrieschwitz oder Reusa. Eine zweite Gruppe von Schulen erhielt Namen bedeutender Literaten: Goethe, Schiller, Lessing, Seume, Rückert, und auch der weit über das Vogtland hinaus bekannte Julius Mosen wurde auf diese Weise geehrt. Bei der Zuordnung der Namen zu den Schulen ließ man sich von den bereits um die Jahrhundertwende vergebenen Straßennamen leiten. Also gab es fortan die Seume- und Rückertschule in Haselbrunn, die Schiller- und Lessingschule nahe der Pauluskirche und die Mosenschule in der Hammerstraße. Lediglich Goethes Name machte eine Ausnahme, denn er wurde der 1. Katholischen Bürgerschule in der Ziethenstraße (heute Thomas-Mann-Str.) zuerkannt. Schließlich gab es die Namensgruppe international bekannter Pädagogen wie Comenius, Pestalozzi, Diesterweg, Dittes und Herbart, aber auch die um das Plauener Schulwesen verdienten Friedrich Krause, Karl Friedrich Höckner, Johannes Delitsch sowie der vogtländische Turnvater Otto Heubner wurden nicht vergessen. Auch hier wurden die meisten Benennungen nach den bereits bestehenden Straßen bzw. Plätzen vorgenommen, z.B. bei der Diesterweg-, Dittes- Herbart- und Höcknerschule bzw. im Falle der Heubnerschule die unmittelbare Nachbarschaft dazu beachtet. Dagegen wurden die Krauseschule in der Straßberger Straße und die damals in der Seminarstraße gelegene Delitschschule (Hilfsschule) nach ihren langjährigen Direktoren benannt. Die oben genannten zwei Ausnahmen betrafen die ursprünglich gedachte Comeniusschule in der Neundorfer Straße sowie die Pestalozzischule in der Karlstraße. Mit der Begründung, beide Schulen lägen zu weit von den gleichnamigen Straßen entfernt und könnten somit zu Missverständnissen führen, lehnte der Stadtrat diese Namen ab und forderte das Schulamt auf, andere Vorschläge zu unterbreiten. Das geschah innerhalb weniger Tage, und so wurde aus der ursprünglich gedachten Comenius- die Lutherschule (das Gebäude der heutigen Vogtlandbibliothek), wobei die Nähe zur Lutherkirche Pate stand. Aus der zunächst vorgeschlagenen Pestalozzischule wurde die Karlschule, benannt nach der gleichnamigen Straße unweit der damaligen Friedrich-August-Brücke. In den Ratssitzungen am 5. August und 7. Oktober 1920 wurden auch diese Namen bestätigt. Eigentlich sollte der Schulname immer nur in Verbindung mit der bisherigen Nummer gebraucht werden – also „Heubnerschule (VI.. Bürgerschule)“ –, aber dieser Gedanke setzte sich nicht durch, so dass sehr bald nur noch der Name verwendet wurde. Im Gegensatz zu den Volksschulen trugen die zum Abitur führenden höheren Schulen Plauens bis 1933 keine Namen. Sie firmierten lediglich als Gymnasium (seit 1919 Staatsgymnasium), Realgymnasium, Oberrealschule oder Deutsche Oberschule (seit 1923), gleiches traf auch auf die zehnklassige Realschule und die Höhere Mädchenschule zu. Erst in den Jahren der Nazidiktatur sollte sich das ändern.