Zum 100. Geburtstag der Plauener Friedensschule - Folge 4
4. Folge: Der zweite Anlauf war erfolgreich
Nachdem im April 1890 die Plauener Realschule nach ihrer endgültigen Trennung vom Gymnasium im renovierten Bürgerschulgebäude an der Syrastraße ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, konnte sie ihre Akzeptanz in der Bevölkerung der Stadt und des gesamten Vogtlandes von Jahr zu Jahr steigern. Bis 1896/97 stieg ihre Schülerzahl jährlich um durchschnittlich 37 Knaben. Das hatte mehrere Ursachen. Zum einen begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts dank der florierenden Spitzenindustrie die rasante Entwicklung Plauens zur Großstadt, zum anderen fand die Arbeit des Lehrkörpers der Schule unter Leitung von Direktor Prof. Dr. Christian Achmed Scholtze immer stärkere öffentliche Anerkennung.
Das ermutigte Scholtze, erneut die Frage nach einem Realgymnasium aufzuwerfen. Bereits bei seinem Amtsantritt hatte er die Überzeugung vertreten, dass die Stadt Plauen und das gesamte Vogtland auf lange Sicht eine solche höhere Schule benötigen und somit der 1886 gescheiterte erste Versuch zur Etablierung eines Realgymnasiums keineswegs das letzte Wort zu diesem Thema sein dürfte. Die prächtige Startphase der nunmehr selbstständigen Realschule bestärkten ihn in seiner Ansicht. Zur gleichen Zeit mehrten sich die Klagen von Eltern aus allen Teilen des Vogtlandes, dass ihre Kinder in Reichenbach und Plauen sowie ab 1896 bzw. 1897 auch in Auerbach und Oelsnitz zwar die sechsjährige Realschule besuchen können, ihnen jedoch der Weg zum Abitur an einem Realgymnasium versperrt war, weil sie keine Lateinkenntnisse vermittelt bekamen. Ohne Latein als Unterrichtsfach blieb aber der Wunsch, in Plauen erneut die Gründung eines Realgymnasiums zu wagen ein unerfüllbarer Traum. eines Realgymnasiums verwirklichen zu können. Direktor Prof. Dr. Scholtze führte deshalb ab Ostern 1895 für Schüler ab 3. Realschulklasse fakultativen Lateinunterricht ein, um ihnen den weiterführenden Besuch eines Realgymnasiums zu ermöglichen. Doch dies sollte möglichst in Plauen geschehen, und so mobilisierte Scholtze die Eltern, den Rat der Stadt zu ersuchen, bereits ab Ostern 1898 auf die Realschule eine Obersekunda aufzusetzen und so den Weg zu einem erneuten Realgymnasium zu beschreiten. Dieser Antrag wurde am 30. August 1897 gestellt und nach gründlicher Prüfung ein Vierteljahr später vom Stadtrat einstimmig angenommen. Das Kultusministerium erteilte eine vorläufige Genehmigung zur Gründung der Obersekunda. Ostern 1899 wurden deren Schüler in die Unter- und ein Jahr später in die Oberprima versetzt. Damit gab es wieder ein neunjähriges Realgymnasium in Plauen, dem das Kultusministerium nach erneuter Prüfung der Schülerleistungen im November 1900 die endgültige Anerkennung aussprach. Ab 1. Januar 1901 firmierte die Schule an der Syrastraße als „Realgymnasium mit Realschule“.
So groß die Freude über die geglückte Wiedereröffnung des Realgymnasiums war – die Sorgen der Verantwortlichen waren im gleichen Maße gewachsen. Sie betrafen die wachsende Raumnot im Schulhaus. Aus der ursprünglichen Nutzung des halben Gebäudes war bereits in den neunziger Jahren Schritt für Schritt die Belegung des gesamten Hauses geworden, und die Schülerzahlen wuchsen weiter an. 1900 zählte die Realschule bereits 506 und 1905 gar 654 Schüler. Doch an ein dringend benötigtes neues Schulgebäude war vorerst nicht zu denken, stand die Stadt doch in der vorrangigen Pflicht, innerhalb weniger Jahre vier große Volksschulen (die später als Kemmler-, Dittes-, Herbart- und Mosenschule bekannt wurden) zu errichten, um für die immens gewachsene Zahl der 6 – 14-jährigen Kinder die Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht zu sichern. Folglich blieb als Alternative zur Raumnot der Realschule nur die Auslagerung ganzer Klassenzüge in andere Gebäude. Ostern 1900 nahmen 5 untere Klassen im vormaligen Franckeschen Haus in der Marktstraße 19 den Unterricht auf, später bezogen weitere Klassen die Räume des alten Handelsschulgebäudes in der Melanchthonstraße 11 und 13. Diese Ersatzquartiere waren für alle Betroffenen unangenehm: die Schüler lernten ihre eigentliche Schule erst in späteren Schuljahren kennen, und die Lehrer mussten zwischen den einzelnen Unterrichtsstätten ständig pendeln.
Dieser Zustand konnte nicht ewig andauern, so dass die Stadt trotz aller Finanznot wenigstens erst einmal nach einem Baugrundstück für einen zukünftigen Neubau Ausschau hielt. 1904 wurde sie unterhalb des Bärensteins fündig. Am 28. Dezember 1904 beschloss der Stadtrat, das 4800 m² große Gelände zwischen West-, Bären- und (heutiger) Schmidstraße zu kaufen, wobei zunächst offen blieb, ob dort später die Realschule oder das Realgymnasium errichtet werden sollte. War dieses Baugrundstück wegen seines Höhenunterschiedes von 12 m eine besondere Herausforderung für den zukünftigen Architekten, so ließ die für 1905 geplante Einweihung der Friedrich-August-Brücke eine bedeutende verkehrstechnische Aufwertung des Bauplatzes erwarten. Als Rektor Prof. Dr. Christian Achmed Scholtze im September 1905 nach 15-jähriger Tätigkeit in Plauen in den Ruhestand trat, hatte der Stadtrat bereits entschieden, in den beschlossenen Neubau das Realgymnasium unterzubringen, während die Realschule in der Syrastraße verbleiben sollte. Scholtzes Amtsnachfolger, Prof. Dr. Theodor Matthias, oblag die Aufgabe, die Trennung beider Schultypen vorzubereiten. Vor allem die Zuordnung der Lehrkräfte, aber auch der Lehrmittel war keineswegs leicht zu bewältigen, zumal sich der Baubeginn unterhalb des Bärensteins durch langwierige Verhandlungen mit Grundstücksnachbarn, aber auch aus finanziellen Gründen immer wieder verzögerte. Erst im Frühjahr 1908 begannen die Erschließungsarbeiten für das Realgymnasium, das anderthalb Jahre später, am 5. Oktober 1909, feierlich geweiht und fortan völlig zu Recht als neue Zierde der Stadt gerühmt wurde.