Zum 100. Geburtstag der Plauener Friedensschule - Folge 3

von Roland Schmidt

 
3. Folge: Prof. Dr. Christian Achmed Scholtze Nur wenige Straßen Plauens tragen Namen von Lehrern, die einst durch ihr Wirken nachhaltige Spuren in der Stadt hinterlassen haben. Zu diesen wenigen Pädagogen zählt Prof. Dr. Christian Achmed Scholtze, dessen Andenken die Straße ehrt, die die West- und die Bärenstraße verbindet und direkt an das Schulgebäude der heutigen Friedensschule grenzt. Diese Nähe ist keineswegs Zufall, denn Prof. Dr. Scholtze hat entscheidenden Anteil daran, dass diese Schule 1909 als Realgymnasium eröffnet werden konnte – ein für die Stadt und das gesamte Vogtland wichtiges Ereignis, das er aber selbst nicht mehr erlebte. 1886 hatte die Stadt Plauen den ministeriellen Auftrag erhalten, ab 1890 aus eigenen Mitteln eine Realschule zu betreiben. Das war mit der Berufung eines Schulleiters verbunden, der bisher in einem solchen Schultyp gearbeitet hatte, Leitungserfahrungen besaß, selbst wissenschaftlich tätig war und schließlich die nötige Weitsicht besaß, die ihm anvertraute Schule nicht nur zu verwalten, sondern qualitativ weiter zu entwickeln. Alle diese Anforderungen erfüllte Dr. Christian Achmed Scholtze. Er war am 25. August 1840 als Sohn eines Lehrers in Leipzig geboren worden, hatte an der dortigen Nikolaischule das Abitur abgelegt und anschließend in seiner Heimatstadt Geschichte und Germanistik studiert. Nach seiner Promotion zu einem Thema der Antike trat er 1867 in den Schuldienst ein, zunächst als Probelehrer in Leipzig, ab 1869 als Oberlehrer an der Realschule I. Ordnung in Chemnitz. 1878 wurde er nach Frankenberg berufen, um die dortige Realschule voll auszubauen, und 1884 übernahm er die Direktion der Realschule Grimma. In allen diesen Funktionen hatte er sich als Lehrer und Leiter bewährt, und er war somit – wie es in der Personalakte des Kultusministeriums hieß – „der rechte Mann zur gedeihlichen Lösung der wichtigen Aufgaben, die der jungen Anstalt (in Plauen – R.S.) gestellt sein würden.“ Im April 1890 trat Scholtze sein Amt als Direktor der Realschule Plauen an, und er führte die Einrichtung innerhalb kurzer Zeit zu beachtlichen Leistungen. Das führte zu steigenden Schülerzahlen. Waren 1890 nur 206 Schüler an der neuen Realschule registriert, so zählte sie ein Jahrzehnt später 506. Anstelle der zunächst 8 Klassen gab es 1900 bereits 21, und das Lehrerkollegium hatte sich fast verdreifacht. Vor allem hatte sich die Zahl der Schüler verdoppelt, die den gesamten sechsjährigen Realschullehrgang durchliefen – ein eindeutiges Zeichen, in welchem Maße die Schule in der rasant wachsenden Stadt angenommen worden war. Doch mit diesen Leistungen, für die er 1893 den Titel „Professor“ verliehen bekam, gab sich Christian Achmed Scholtze nicht zufrieden. Immer wieder setzte er sich mit der vorschnellen Schließung des Realgymnasiums 1886 auseinander, und er entschloss sich, einen Versuch zu dessen erneuter Gründung zu wagen. Er gewann einflussreiche Kräfte von Wirtschaft und Politik des gesamten Vogtlandes für seine Pläne, die den nötigen Druck auf den Plauener Stadtrat ausübten. Gleichzeitig führte er – wenn auch vorerst nur fakultativ – für die höheren Klassen den Lateinunterricht wieder ein, den entscheidenden Schritt zur Anerkennung der Schule als Realgymnasium. 1897 erzielte er ein wichtiges Zwischenergebnis: Die Stadtverordneten beschlossen, bereits ab Ostern 1898 eine Obersekunda einzurichten und somit 1901 die ersten Abiturienten eines erneuerten Realgymnasiums entlassen zu können. Dazu unterzog das Kultusministerium den Lateinunterricht einer strengen Prüfung, die zu einer guten Bewertung führte, und schließlich entwickelte Christian Achmed Scholtze gemeinsam mit dem Ministerium eine alternative Abfolge der Fremdsprachen für die Realgymnasiasten, die den Interessen der vogtländischen Wirtschaftsverbände besser gerecht wurde. Im Herbst 1900 genehmigte das Kultusministerium die erneute Gründung eines Realgymnasiums in Plauen, das als „Realgymnasium mit Realschule“ ab 1. Januar 1901 seine Arbeit aufnahm und an dessen Spitze Prof. Dr. Scholtze nunmehr als Rektor stand. Er wusste um die Bedeutung des Erreichten, verkannte aber keineswegs die neu auftretenden Probleme: das Schulhaus an der Syrastraße konnte die weiter wachsende Zahl der Schüler nicht mehr aufnehmen. Scholtze wurde daher nicht müde, die Stadtväter für einen Neubau zu gewinnen, der freilich erst nach seinem Tod Wirklichkeit wurde. Doch Christian Achmed Scholtze war auch wissenschaftlich tätig. In seiner Chemnitzer Zeit publizierte er seine Untersuchung „Philander von Sittewald“, mit dem er Hans Michael Moscherech, einem deutschen Dichter des 17. Jahrhunderts, ein Denkmal setzte. Später beschäftigte er sich mit orientalischer Geschichte. In Plauen verfasste er 1894 die bildungsgeschichtlich bedeutende Untersuchung „Humanismus und Realismus im höheren Schulwesen Sachsens während der Jahre 1831 – 1851“, außerdem mehrere Geschichtslehrbücher für Realschulen. Darüber hinaus war Scholtze ein begeisterter Bergsteiger. Er fuhr nicht nur regelmäßig in die Alpen, sondern beschäftigte sich auch wissenschaftlich mit diesem Hochgebirge und hatte von 1893 – 1905 wichtige Funktionen in der Sektion Plauen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins inne. Schließlich redigierte Scholtze von 1895 bis 1905 die Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen. Diese Tätigkeit wollte er auch im Ruhestand fortsetzen, den er ab September 1905 in Niederlößnitz bei Dresden verbrachte. Er war ihm aber nur kurze Zeit vergönnt, denn gut ein Jahr später, am 15. Oktober 1906, starb Christian Achmed Scholtze. Seinem Wunsche gemäß sollte seine umfangreiche wissenschaftliche Bibliothek nach seinem Tod dem Plauener Realgymnasium übereignet werden. Da es dazu jedoch keine testamentarische Niederschrift gab, trat nach Scholtzes Ableben die normale Erbfolge in Kraft. Seine Witwe, die den Wunsch ihres Mannes kannte, stellte der Plauener Schule ihren Anteil an den Büchern sofort zur Verfügung, dagegen verlangten die Erben der anderen Hälfte eine finanzielle Entschädigung. Durch großzügige Spenden Plauener Kaufleute und Fabrikanten konnten diese Gelder aufgebracht werden, so dass die vollständige Sammlung als „Bücher weiland des Rektors Oberstudienrat Prof. Dr. Christian Achmed Scholtze“ nach Plauen zurück kam und den Realgymnasiasten noch lange Zeit eine wertvolle Wissensquelle waren.