Vor 200 Jahren trat Superintendent Tischer sein Amt in Plauen an

von Roland Schmidt

 
In diesen Tagen jährt sich zum 200. Male ein für die Stadt Plauen denkwürdiges Ereignis. Im Dezember 1798 trat Superintendent Johann Friedrich Tischer sein Amt an, das nicht nur die Leitung des kirchlichen Lebens in Plauen und weiten Teilen des Vogtlandes umfaßte, sondern auch die Aufsicht über das Schulwesen dieses Territoriums beinhaltete. Auf beiden Gebieten entwickelte Tischer von Anfang an bedeutende Aktivitäten. Was er dabei in schulischer Hinsicht für Plauen und das gesamte Vogtland geleistet hat, kann nicht hoch genug gewertet werden. Johann Friedrich Tischer wurde am 5. August 1767 in Dautzschen bei Torgau geboren. In diesem Dorf trat er auch nach seinem Theologiestudium 1792 seine erste Pfarrstelle an, und 1797 wurde er Superintendent in Jüterbog. Doch schon wenige Monate später - Tischer war gerade 31 Jahre alt - folgte er dem Ruf ins Vogtland, und mit ihm kam auch für das Schulwesen der rechte Mann zur rechten Zeit. Um die Wende vom 18. Zum 19. Jahrhundert war es um das Plauener Schulwesen nicht gut bestellt. Auf wirtschaftlichem Gebiet erlebte die Stadt eine erste Blüte, vor allem die Musselinherstellung leitete den Weg Plauens zur Fabrik- und Handelsstadt ein. Diesem Prozeß war das Schulwesen nicht gewachsen, weder die höhere Schule (Lyceum) noch die Bildungsstätten für das einfache Volk wurden dieser Entwicklung gerecht. Tischer erkannte diesen Mangel, und er leitete Reformen ein, die diese Situation Schritt für Schritt verbesserten. Seine erste Sorge galt den Kindern des einfachen Volkes. Diese wurden bis dahin - wenn überhaupt - in sogenannten Winkelschulen mehr schlecht als recht gegen ein geringes Entgelt von Personen unterrichtet, die für diese Tätigkeit keine Vorbildung besaßen und sich auf diese Weise durchs Leben schlugen. Tischer schob diesem Übel einen Riegel vor, indem er nur kurze Zeit nach seinem Amtsantritt die Plauener Stadtväter ersuchte, an den Schulen "vor den Thoren der Stadt" Katecheten anzustellen. Diese sollten aus den ältesten Schülern des Plauener Lyceums gewonnen werden und somit durch ihre Vorbildung und ihre didaktisch-methodische Schulung die Gewähr für einen qualitativ besseren Unterricht bieten. Der Stadtrat genehmigte am 23. Juni 1800 Tischers Antrag und leitete damit einen Prozeß ein, der die Bildungsmöglichkeiten der armen Kinder in den Vorstädten, die die Torschulen um das Neundorfer, Straßberger, Syrauer sowie Hammer- und Brückentor besuchten, deutlich verbesserte. Tischer begriff jedoch diesen Antrag an die Stadtverwaltung nicht als einmaligen Akt, vielmehr widmete er auch in den folgenden Jahren der Entwicklung der Torschulen große Aufmerksamkeit. So suchte er persönlich die Schüler des Lyceums aus, die an den Torschulen unterrichten sollten, und 1822 entstand unter seiner Regie eine "Ordnung für die Thor- und Spinnmaschinenschulen", die zur weiteren Konsolidierung ihrer Arbeit zum Wohle der armen Kinder führte. Ein zweites Verdienst Tischers um das Schulwesen in Plauen und das gesamte Vogtland ist damit eng verbunden: seine Sorge um eine gediegene Ausbildung für die Lehrer an den Schulen für die unteren Schichten des Volkes. Bereits vor Tischers Amtsantritt waren am Plauener Lyceum pädagogisch befähigte Schüler, die kein Universitätsstudium anstrebten oder dies aus sozialen Gründen nicht konnten, in gesonderten Klassen auf eine mögliche Anstellung als Volksschullehrer vorbereitet worden. Tischer führte diesen Prozeß zielstrebig weiter und forcierte im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts den Gedanken eines "Vogtländischen Schullehrer-Seminariums". Allen Widrigkeiten der Zeit zum Trotz - Plauen litt wie das gesamte Königreich Sachsen am Bündnis mit Napoloen - setzte er im Februar 1810 die offizielle Anerkennung dieser Lehrerbildungsstätte durch König Friedrich August durch. Blieb die finanzielle Unterstützung des Seminars durch den Staat vorerst auch weit hinter den Erwartungen zurück, so war dennoch der entscheidende Schritt getan: die Ausbildungsstätte für viele vogtländische Volksschullehrer war geschaffen. Als dritte Leistung Tischers für das Plauener Schulwesen ist seine Sorge um bessere räumliche Bedingungen für das Lernen der Schüler zu nennen. Jahrhundertelang dienten die Räume unterhalb der Superintendentur im östlich von der Johanniskirche gelegenen Konventsgebäude als Stadtschule. Sie waren baulich in einem sehr schlechten Zustand, dunkel und feucht. Tischer charakterisierte sie als "Schuljammer" und "Schandfleck Plauens", und er kämpfte um Veränderungen. Er gewann einflußreiche Persönlichkeiten Plauens und des gesamten Vogtlandes zu Geldspenden, und er stiftete selbst 500 Taler, so daß für 7475 Taler das Landrocksche Haus am Schulberg gekauft und am 17. April 1815 als "Vogtländisches Kreisschulhaus" geweiht werden konnte. In dieses Gebäude zogen die vier oberen Klassen des Lyceums ein, die fortan unter weit besseren Bedingungen unterrichtet werden konnten. Erstmals in seiner Geschichte besaß damit Plauen ein eigenständiges und würdiges Schulhaus. Schließlich nahm Tischer auch wesentlichen Einfluß auf den an den Schulen vermittelten Bildungsinhalt. Er war maßgeblich an der Konzipierung von Lehrplänen beteiligt, und er trat auch als Autor von Lehrbüchern hervor.1805 erschienen in Plauen seine "Hauptstücke der christlichen Religion mit biblischen Denksprüchen", die in vielen Schulen benutzt wurden und bis 1846 insgesamt 28 Auflagen erlebten. Nach 25jähriger erfolgreicher Tätigkeit als Superintendent in Plauen verließ Tischer 1823 das Vogtland, um die gleiche Funktion in Pirna anzutreten. Bereits 1817 hatte er in Rottwerndorf bei Pirna ein Rittergut mit 138 ha Land erworben. An seiner neuen Wirkungsstätte war er gleichermaßen um die Hebung der Volksbildung bemüht wie in Plauen. Deutliche Verbesserungen im Armenschulwesen in der Sächsischen Schweiz sowie das Aufblühen des Pirnaer Lehrerseminars in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts sind eng mit seinem Namen verbunden. Knapp zwei Jahrzehnte wirkte Tischer noch in Pirna, bevor er am 28. April 1842 verstarb.