Schwerer Anfang des Plauener Gymnasiums 1835

von Roland Schmidt

 
Als am 7. Mai 1835 Rektor Johann Gottlob Dölling das Plauener Gymnasium eröffnete, war das ein denkwürdiges Ereignis in der vogtländischen Schulgeschichte. Zwar hatte es in Plauen schon seit 1319 eine städtische Lateinschule gegeben, die seit 1704 unter der Bezeichnung „Lyceum" einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte. Die jetzige Umwandlung des Lyceums in ein Gymnasium verbesserte die Möglichkeiten einer höheren Bildung für die Knaben und jungen Männer des gesamten Vogtlandes erheblich. Die entscheidung der Regierung gehörte zu jenen Maßnahmen, die nach dem Übergang Sachsens zur konstitutionellen Monarchie (1831) auch dem Bildungswesen neue Ziele wiesen. Dennoch war die Gründung des Plauener Gymnasiums ein schwieriger Akt, der beinahe auf halbem Wege im Gerangel zwischen Stadt und Staat um das nötige Geld gescheitert wäre. Dass Plauen zu den Städten Sachsens gehörte, die ein Gymnasium erhalten sollten, kam nicht von ungefähr. Zum einen hatte das Plauener Lyceum im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts ob seiner Leistungsfähigkeit einen guten Ruf. So nahmen von 1825 bis 1835 pro Jahr durchschnittlich 10 Absolventen ein Universitätsstudium auf, die Schule hatte bei ministeriellen Inspektionen wiederholt gute Beurteilungen erfahren und die Zahl der Schüler lag zu Beginn der dreißiger Jahre mit 150 bis 160 (davon die knappe Hälfte von außerhalb kommend) über der vergleichbarer Schulen in anderen sächsischen Städten. Zum anderen fanden sich Förderer der Schule nicht nur in Plauen selbst, sondern auch in vielen anderen Orten des Vogtlandes. So war es nicht verwunderlich, dass ein erster Gesetzentwurf der sächsischen Regierung zur Gymnasialbildung aus dem Jahre 1833 für das als städtische Einrichtung geltende Plauener Lyceum eine Finanzhilfe des Staates vorsah, während sie den Lyceen in Schneeberg, Annaberg und Chemnitz verweigert wurde, was deren Schließung zur Folge hatte. Freilich behielt sich der Staat für die Plauener Schule als Gegenleistung zur staatlichen Unterstützung das Mitspracherecht bei der Besetzung der Lehrerstellen vor, so dass hier bereits eine erste Weichenstellung in Richtung auf ein späteres staatliches Gymnasium (1889) erfolgte. Der Weg dorthin war freilich noch weit. Nachdem nämlich der genannte Gesetzentwurf 1834 im Landtag gescheitert war, drohte die geplante Reform des sächsischen Gelehrtenschulwesens im Sande zu verlaufen. Jedoch gelang es dem Plauener Bürgermeister Ernst Wilhelm Gottschald und seinen Amtsbrüdern aus Chemnitz und Freiberg durch eine Petition im Landtag, die dafür in Aussicht gestellten 7000 Taler für das Schulwesen zu retten, so dass die Reform auch ohne die gesetzliche Grundlage weiter vorangetrieben werden konnte. Entscheidend für das Schicksal der Plauener Schule war eine Order der sächsischen Regierung an die hiesige Schulinspektion, in der es hieß, dass das Bestehen einer Gelehrtenschule in Plauen im Interesse des Landes wünschenswert und notwendig sei, weil sie die einzige im Vogtland ist. So konnte am 1. Mai 1835 das bisherige Plauener Lyceum in ein Gymnasium umgewandelt werden, von dem Lehrerseminar und Bürgerschule endgültig abgetrennt waren. Eine Woche später nahmen die vier Gymnasialklassen Prima, Sekunda, Tertia und Quarta ihren jeweils eineinhalbjährigen Kurs auf, gleichzeitig bildeten eine Quinta und eine Sexta das Progymnasium, so dass also ein insgesamt neunjähriger Lehrgang zum Abitur führte. Unter der Leitung von Rektor Dölling (er versah dieses Amt von 1829 bis zu seinem Tode 1850) nahmen 72 Schüler und neun Lehrer den Unterricht im ehemals Landrockschen Haus am Schulberg auf, das schon seit 1815 als „Vogtländisches Kreisschulhaus" diente. Ein Jahr später, im Frühjahr 1836, drohte dem Plauener Gymnasium aber seine plötzliche Auflösung. Der Anlass war ein Loch von 900 Talern in der Gymnasialkasse, das die Stadt füllen sollte, jedoch nicht konnte. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es, das Plauener Gymnasium am Leben zu erhalten, wobei sich der Adorfer Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Karl Todt, Plauens Stadtoberhaupt Gottschald (er war ebenfalls Landtagsmitglied) sowie Prorektor Christian Gottlieb Pfretzschner besonders verdient machten. In Wort und Schrift traten sie sowohl im Landtag als auch in der Öffentlichkeit für das weitere Bestehen des Plauener Gymnasiums ein, und am 7. Juli 1838 zeigten ihre Bemühungen einen ersten Erfolg. Entgegen der ministeriellen Absicht entschied sich die zweite Kammer des Landtages fast einstimmig für den Erhalt und die Unterstützung des Plauener Gymnasiums.Allerdings musste aus Finanznot auf die Sexta verzichtet werden, die Stelle eines dritten Lehrers wurde eingezogen und auch für die Beschaffung von Lehrmitteln standen kaum Gelder zur Verfügung. In der Landtagssitzung vom 29.5.1840 verglich das ein Redner mit dem Zustand, als würde ein Hauswirt in seiner Not so weit getrieben, dass er am Ende das Gebälk aus dem Dache schneiden müsse. Die Substanz der Schule war also im Kern bedroht, und das Gespenst der Auflösung lähmte über mehrere Jahre ihre Arbeit. Weiterhin bescheidene Schülerzahlen (1838/39 wurden nur 75 Schüler unterrichtet) schienen nachträglich die Argumente des Ministeriums zu rechtfertigen, manche Lehrer wurden mutlos und die Stadtbehörden waren unzufrieden. 1843 schlossen endlich das Kultusministerium (inzwischen von Minister Eduard von Wietersheim geleitet) und die Stadt einen Vertrag, wonach die Stadt das Schulgebäude zu unterhalten hatte, während der Staat sich verpflichtete, alle Kosten zu übernehmen, die die städtischen Fonds und privaten Stiftungsgelder überschritten, für einen ordentlichen Lehrbetrieb des Gymnasiums jedoch notwendig waren. Diese Regelung galt bis 1889 und sicherte dem Gymnasium eine gedeihliche Entwicklung.