Schuleintritt ins Plauener Gymnasium im 19. Jahrhundert
Die älteren unter uns werden sich gewiss noch erinnern: Einschulungen und Schulentlassungen waren bis 1941 an die Osterfeiertage gebunden. Das alte Schuljahr endete mit dem Palmsonntag, und in der Regel begann das neue eine Woche nach Ostern. Analog zum Osterfest schwankte also der Einschulungstag um drei bis vier Wochen, er konnte sogar erst in den ersten Maitagen liegen. Die Schulanfänger wurden auf ihrem ersten Schulweg von den Eltern begleitet, in der Schule von den Kindern mit einem Lied empfangen und der Obhut des Lehrers übergeben. Inwieweit Süßigkeiten den Schuleintritt verschönten, richtete sich nach dem Geldbeutel der Eltern. Für die Schüler, die ins Gymnasium eintraten, war vor dem eigentlichen Unterrichtsbeginn noch eine schwierige Hürde zu meistern – eine Aufnahmeprüfung. Sie war notwendig, da es für die Vorbildung der Kinder bis 1920 keine verbindliche Schulform gab. Ein Teil der Schüler hatte spezielle Vorschulen besucht, ein anderer war zu Hause durch Privatlehrer auf den Eintritt ins Gymnasium vorbereitet worden. In jedem Falle mussten jedoch die neunjährigen Schüler dem Ausgangsniveau der Sexta, der niedrigsten Gymnasialklasse, gerecht werden. So verlangten die Aufnahmebedingungen für das Schuljahr 1861/62 am Plauener Gymnasium von den Schülern einige Geläufigkeit im Lesen und Schreiben der lateinischen und deutschen Schrift, die Fähigkeit, leichte deutsche Sätze bei langsamem Vorsprechen nachzuschreiben, die Kenntnis des kleinen Einmaleins und der vier Grundrechenarten sowie die gedächtnismäßige Kenntnis der zehn Gebote des Christentums. Wenn es auch jeweils im Ermessen der prüfenden Lehrer lag, wie scharf Forderungen wie „Geläufigkeit, Fertigkeit und Sicherheit" zu sehen sind - für die neunjährigen Knaben war die Prüfung stets eine aufregende Sache. Eigenartig war jedoch, dass sie jeweils erst einen Tag vor dem eigentlichen Unterrichtsbeginn durchgeführt wurde, das Ergebnis vom Montag also darüber entschied, ob man am Dienstag auf der äußerst harten Schulbank Platz nehmen konnte. Natürlich ging die Prüfung für die Mehrzahl der Bewerber mit einem positivem Bescheid zu Ende, manchmal aber auch mit der einschränkenden Bemerkung „nicht ohne Bedenken", und in manchen Jahren wurden auch Schüler abgewiesen, weil sie den Anforderungen nicht genügten. 1855 erhielten von 72 Bewerbern vier eine Ablehnung, 1884 waren es drei von 71 und 1889 sieben von 78. Aufnahmeprüfungen erfolgten aber nicht nur für die Schüler der untersten Gymnasialklasse, sondern auch für ältere Schüler, die bis dahin Privatunterricht erhalten hatten oder von einem anderen Gymnasium auf Plauens Hohe Schule wechseln wollten. Hier galten natürlich strengere Kriterien. Wünschte der Bewerber zum Beispiel die Aufnahme in die Obertertia, wurde der Prüfung ein mittleres Anforderungsniveau dieser Klasse zugrunde gegelegt. Wenn das Ergebnis negativ ausfiel, war die Einordnung in eine entsprechend niedrigere Klassenstufe denkbar, freilich auch der Verzicht auf den Gymnasialbesuch in Plauen. Für die nicht aus Plauen stammenden Schüler war der Eintritt in das Gymnasium mit einem weiteren Problem verbunden: Das Finden von Quartiereltern. Einige Schüler fanden bei Verwandten und Bekannten Unterkunft, den anderen half das Gymnasium bei der Zimmersuche. In jedem Falle musste aber der Rektor seine Zustimmung geben, denn letztlich trug er die Verantwortung für die gedeihliche Entwicklung der neunjährigen Knaben. Gleiches galt für die älteren Schüler, auch die durften nur bei Vermietern einziehen, denen der Rektor einen guten Leumund bescheinigen konnte.