Plauener Brandkatastrophen 1844 betrafen auch die Gymnasiasten

von Roland Schmidt

 
Eine Feuersbrunst – durch einige unbedachte Handgriffe ausgelöst – legte innerhalb weniger Stunden mehr als 100 Wohnhäuser und über 200 Seiten- und Nebengebäude in Schutt und Asche, bedrohte das Leben Tausender Einwohner und verwandelte eine aufblühende Stadt in einen trostlosen Aschehaufen. Das passierte in Plauen in der Nacht vom 9. zum 10. September 1844, als die Flammen in Windeseile, von einem Wohnhaus in der Unteren Endegasse ausgehend, von Haus zu Haus übersprangen, deren Schindeldächer und hölzerne Giebel erfassten und gnadenlos niederbrannten. Zweieinhalb Monate später, am 22. November 1844, gab es in der Stadt erneut Feueralarm. War das Ausmaß dieses Brandes gegenüber dem ersten wesentlich geringer, so waren die Folgen für die Betroffenen nicht weniger schmerzlich. Wie durch ein Wunder waren in beiden Fällen keine Menschenleben zu beklagen. Viele Einwohner hatten ihr Haus oder ihre Wohnung verloren, ihre Kleidungsstücke oder ihr Mobiliar waren den Flammen zum Opfer gefallen. In dieser Situation tat Hilfe Not. Sie kam schnell zunächst aus den Nachbarorten in Form von Brot, Kleidung und anderen wichtigen Dingen des täglichen Lebens, später aus allen Teilen Deutschlands durch Bargeld im Werte von 42770 Talern. Das Gebäude des Plauener Gymnasiums am Schulberg überstand die beiden Stadtbrände unversehrt. Dennoch zählten mehrere seiner Lehrer und Schüler zu den Brandgeschädigten. Vom Großbrand im September 1844 waren 78 Schüler des Gymnasiums, das war etwa ein Fünftel der damaligen Schülerschaft, direkt betroffen. Sie büßten ihre elterliche Wohnung ein oder verloren als Auswärtige, die zur Untermiete in möbilierten Zimmern Plauener Bürger wohnten, ihr Quartier. Zwei von ihnen traf es besonders schlimm, denn sie gehörten sowohl im September als auch im November 1844 zu den Geschädigten. Die Schadenssumme, die den Schülern damals entstanden war, wurde auf insgesamt rund 650 Taler geschätzt, das entsprach etwa dem Monatsverdienst von 150 Fabrikarbeitern. Auch die Lehrer verzeichneten Verluste, waren doch mehrere Lehrerwohnungen - in unmittelbarer Reichweite der Flammen gelegen - in aller Eile evakuiert worden. Dabei gingen nicht nur diverse Habseligkeiten des Haushaltes verloren, sondern auch viele wertvolle Bücher. Der Schule selbst entstand spürbarer Schaden durch den Verlust von Literatur aus der Schulbibliothek, die nach Hause entliehen war und durch das Feuer vernichtet worden ist. Doch so wie die gesamte Bürgerschaft der Stadt erfuhren auch die Plauener Gymnasiasten umfangreiche Solidarität. Speziell an ihre Adresse gingen innerhalb weniger Tage Spenden in Höhe von mehr als 230 Talern ein, später kamen nochmals 66 Taler und sechs Neugroschen dazu. Sie kamen aus allen Teilen des Vogtlandes, aber auch von Gymnasien anderer Städte, so von den Kreuzschülern in Dresden, den Thomasschülern in Leipzig und den Domgymnasiasten in Naumburg. Die Schüler des Gvmnasiums im benachbarten Hof halfen ihren Plauener Kameraden ebenso wie die Zöglinge des Grundrnannschen Instituts in Kloschwitz, einer damals weit über das Vogtland hinaus bekannten Erziehungsanstalt. Eine Sammlung unter den sächsischen Gymnasiallehrern kam ebenfalls den Plauener Schülern zugute. Doch nicht nur Geld wurde gespendet, sondern auch Sachwerte. Vogtländische Textilmanufakturen stellten Wäsche und Stoffe zur Verfügung, und verschiedene höhere Schulen Sachsen, Preußens und Bayerns trugen mit Bücherspenden dazu bei, schmerzliche Lücken in den Bibliotheksbeständen des Plauener Gymnasiums zu schließen Die Leitung der Plauener Anstalt bemühte sich, die eingegangenen Spenden unter den Betroffenen möglichst gerecht zu verteilen. Das war gar nich so einfach, galt es doch neben der jeweiligen Schadenshöhe auch die soziale Situation des einzelnen Schülers zu beachten. Mit der erklärten Absicht, allen Schülern den weiterer Schulbesuch zu sichern, wurde von Rektor Prof. Dr. Johann Gottlieb Dölling und seinem Lehrerkollegium eine sorgfältige Arbeit geleistet, die auch öffentlich Anerkennung fand. Vier Schüler aus sozial gut gestellten Familien verzichteten von vornherein auf Hilfe aus den eingegangenen Spenden, so dass sie ärmeren Schülern zugute kommen konnte. Das Erleben solidarischer Hilfe in Fällen der Not wurde jedoch unter den Schülern des Gymnasiums lebendig gehalten und an spätere Jahrgänge weitergegeben. Als 1865 Werdauer Schüler ein ähnliches Schicksal traf, ergab eine spontane Sammlung der Plauener Gymnasiasten fast 40 Taler.