Moritz Gast prägte das Plauener Musikleben

von Roland Schmidt

 
Als im Jahre 1859 der allseits geachtete Kantor Johann Friedrich Fincke (1778 bis 1868) in den wohlverdienten Ruhestand trat, tat sich im kulturellen Leben der Stadt Plauen eine beträchtliche Lücke auf. Jahrzehntelang hatte Fincke nicht nur als Gesangslehrer am Lehrerseminar und an der Bürgerschule gewirkt und vor allem die Kirchenmusik in den beiden Kirchen der Stadt geleitet, sondern sein Name war auch mit dem übrigen Musikleben der Stadt eng verbunden. Finckes Pensionierung verpflichtete die Stadtväter, einen neuen Kantor zu berufen, der in gleicher Weise seine Amtstätigkeit nicht nur auf die Kirchen- und Schulmusik beschränkte, sondern sich für die Musikpflege in der gesamten Stadt einsetzte.Ein solcher Kandidat war Friedrich Moritz Gast, und seine Anstellung am 18. September 1859 erwies sich als kluge Entscheidung. Gast war kein gebürtiger Vogtländer, sondern er entstammte einer mittelsächsischen Kleinbauern- und Musikerfamilie. Er wurde am 24. September 1821 in Beicha bei Lommatzsch geboren, den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er jedoch auf einem kleinen Gut in der Nähe von Döbeln. Hier wirkte der Vater auch als Chorleiter, und die musikalische Erziehung seines Sohnes war ihm ein wichtiges Anliegen. Bereits als Zwölfjähriger spielte der Junge die Orgel zum Gottesdienst. Mit Privatunterricht wurde Moritz Gast auf den Besuch des Lehrerseminars in Dresden-Friedrichstadt vorbereitet.Dort erhielt er eine das übliche Maß übersteigende Musikausbildung. Nach seiner Schulamtskandidatenprüfung trat er 1842 zunächst eine Stelle als Hilfslehrer in Naundorf bei Freiberg an, 1845 wechselte er dann in eine feste Anstellung nach Annaberg. Dort pflegte er nicht nur die Schulmusik, vielmehr verdiente er sich erste Lorbeeren als Dirigent öffentlicher Konzerte. Diese Tätigkeit brachte ihm die Bekanntschaft Felix Mendelssohn-Bartholdys ein, der zur gleichen Zeit als Gewandhauskapellmeister in Leipzig wirkte. Beide verband fortan eine herzliche Freundschaft, von der vor allem Gasts Tätigkeit als Komponist profitierte. Von 1848 an wirkte Moritz Gast ein volles Jahrzehnt als Kantor und Organist in Geringswalde, bevor er sich mit Erfolg um die Stelle in Plauen bewarb.In Plauen war Gast von Anfang an stark beschäftigt. Er erteilte wöchentlich 12 Stunden Gesangsunterricht, zunächst an der 1. Bürgerschule in der Syrastraße und ab 1862 auch an der 2. Bürgerschule in der Neundorfer Straße. Dazu kam die Kirchenmusik in der Hauptkirche St. Johannis und in der Gottesackerkirche (Lutherkirche). Vorwiegend widmete er sich dem Kirchenchor, doch das war gar nicht so einfach, weil sich Gasts künstlerischer Anspruch nicht selten im Widerspruch zum Alltagsverhalten seiner Sänger befand. Das betraf besonders die Chormitglieder aus dem Plauener Lehrerseminar, die aus dem gesamten Vogtland stammten und zu den großen Kirchenfesten lieber nach Hause fuhren anstatt in den Plauener Kirchen zu singen. Manch gutgemeinte künstlerische Absicht Gasts blieb dadurch unausgeführt, und sicher trug dieser unregelmäßige Personalbestand des Kirchenchors mit dazu bei, dass der Kantor auch bei der musikalischen Gestaltung von Begräbnissen neue Wege ging.Er führte den Quartettgesang auf dem Friedhof ein, wobei er oft selbst eine Stimme übernahm. Darüber hinaus machte er sich als Dirigent mehrerer Chöre verdient. Ob es der „Musikverein", die „Harmonia" oder der „Plauener Männerchor" waren – alle Gesangvereine wurden durch Moritz Gast entscheidend geprägt. Unter seiner Leitung führten sie bedeutende klassische Chorwerke auf. Nicht zuletzt machte sich Moritz Gast als Komponist einen Namen. Er schuf mehr als 160 Musikwerke, von denen die meisten zu seiner Zeit oft gespielt wurden, heute jedoch nahezu vergessen sind. Auch als Herausgeber von Liederbüchern für Chöre war Moritz Gast weit über die Grenzen des Vogtlandes hinaus bekannt.Als Friedrich Moritz Gast am 6. Mai 1889 starb, war das für die Stadt Plauen ein herber Verlust. Es war der Mann gestorben, der nahezu dreißig Jahre hindurch das Musikleben geformt hatte. Der lange Trauerzug, der Gasts letzten Weg begleitete, bewies die Popularität, die der Kantor besaß.