Konservatismus mit Weitblick gepaart: Johann Friedrich Palm

von Roland Schmidt

 
Das Plauener Gymnasium hatte das gesamte 19. Jahrhundert hindurch das Glück, an seiner Spitze tüchtige und weitblickende Rektoren zu wissen. Männer wie Wimmer, Dölling, Dietzsch, Döhnert, Schubert, Busch und Angermann genossen durch ihre Gelehrsamkeit und ihr pädagogisches Geschick in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit hohe Achtung. Sie alle wurden aber von Professor Dr. Johann Friedrich Palm übertroffen, der die Plauener hohe Schule von 1850 bis 1861 leitete. Palm stammte aus Prettin an der Elbe, wo er am 2. Oktober 1813 geboren worden war. Seine Bildung erwarb er in Leipzig, zunächst als Schüler an der Nikolaischule, danach bis 1835 als Student der Philologie an der Universität der Messestadt. An der Leipziger Nikolaischule trat er auch sein erstes Lehramt an, bevor er 1843 an die Landesschule in Grimma wechselte. Dort führte er sieben Jahre lang jeweils die Sekunda, die zweithöchste Klasse der Einrichtung, als Ordinarius, und er wurde dafür mit dem Professorentitel geehrt. Im Mai 1850 wurde er zum Rektor des Plauener Gymnasiums berufen, und dieses Amt trat er nach den Michaelisferien dieses Jahres an. Seine Arbeit in der Vogtlandmetropole stand von Anfang an im Blickpunkt der Öffentlichkeit, denn seine Berufung in das Plauener Rektorat bezweckte mehr als die übliche Amtsnachfolge für den am 19. Februar 1850 verstorbenen Prof. Dr. Johann Gottlieb Dölling, der der Schule seit 1829 vorgestanden hatte. Palms Auftrag war es nämlich vor allem, Schüler und Lehrer des Gymnasiums wieder auf konservative Gleise zu führen. In den Revolutionsjahren 1848/49 hatten sich viele Schüler von liberalen Ansichten mitreißen lassen, und Konrektor Heinrich Lindemann gehörte gar zum Führungsstab der Aufständischen in Plauen. Nach Ansicht der herrschenden Kreise mußte diese Begeisterung für revolutionäre Ziele gebrochen werden, und Friedrich Palm bot sich mit seiner konservativen Haltung für diese Aufgabe regelrecht an. Seine ausgezeichnete Lehrbefähigung, sein glänzendes Organisationstalent, vor allem aber seine ausgeprägten Persönlichkeitsqualitäten kamen ihm dabei zugute, und er setzte für die Erreichung seines Zieles von vornherein auf einen längeren Zeitraum. Beharrlich und konsequent, anfangs auch mit ziemlicher Strenge, drückte er am Plauener Gymnasium seine politischen und pädagogischen Ansichten durch. Sie zielten auf ein intensiveres Lernen der Schüler und damit auf ihre verstärkte Identifizierung mit der bestehenden Gesellschaft. So führte er feste Studientage ein, an denen die Schüler ein umfangreiches Pensum in Latein und Griechisch zu absolvieren hatten. Das wurde auch streng kontrolliert, und Palm führte dazu ein ausgeklügeltes System der Überwachung der jüngeren Schüler - vor allem wenn sie in Plauen zur Untermiete wohnten - durch die Primaner ein. Die konsequente Durchsetzung des Klassensystems in der gesamten Schule und eine verbindliche Hausordnung gehörten ebenfalls zum Programm wie eine verstärkte religiöse Unterweisung. Jede Unterrichtswoche wurde mit einer Montagsandacht begonnen und mit einer Bibelstunde am Sonnabendmittag beendet, dazu kamen zahlreiche Betstunden in der Woche. Doch auch auf methodischem Gebiet führte Palm Neu- erungen ein, z.B. durch Veränderungen im Lektürestoff in den alten Sprachen und die Einführung neuer Lehrbücher. Alle diese Aktivitäten zeigten innerhalb kurzer Zeit Wirkung. Dabei hatte es Palm verstanden, nicht nur der Schule den beabsichtigten konservativen Geist zurückzugeben, sondern auch viele seiner Lehrer am Gymnasium sowie Vertreter der Plauener Öffentlichkeit für sich einzunehmen. Ursprüngliche Abneigung verwandelte sich immer mehr in stille Bewunderung. Das galt auch für die meisten Schüler, die sehr schnell merkten, daß sich hinter Palms äußerlicher Strenge eine warmherzige Persönlichkeit verbarg, die das Beste für sie wollte. So erwarb sich Palm Achtung bei allen, egal ob er ihnen politisch nah oder fern stand. 1854 war es maßgeblich Palms Initiative und Weitblick zu verdanken, daß das Plauener Gymnasium erhalten blieb. Ein drastischer Rückgang der Schülerzahl am Gymnasium und die gleichzeitig notwendige Aufwertung der Naturwissenschaften in der Schulbildung hatten das Königliche Ministerium auf die Idee gebracht, dem Gymnasium eine Realschule anzugliedern. Für einen Altphilologen wie Palm war das keine leichte Aufgabe, galten doch die Naturwissenschaften in seinem Berufsstand als zweitrangig. Er unterzog sich ihr aber mit Fleiß und Engagement, so daß er binnen weniger Wochen nicht nur einen Lehrplan für die Realschulklassen erstellte, sondern auch eine schulische Binnenstruktur entwarf, die sowohl die Gymnasial- als auch die Realschulbildung auf eine einheitliche Grundstufe aufbaute. Diese neue Anstalt nahm Ostern 1854 ihren Lehrbetrieb auf, und Palm leitete sie noch sieben Jahre. 1861 nahm Palm einen Ruf als Rektor des Bautzener Gymnasiums an, das er bis zu seinem Tode am 14. Februar 1871 leitete. Er verließ Plauen sicher mit gemischten Gefühlen. Sein familiäres Glück hatte hier 1854 ein jähes Ende gefunden, als seine Frau Adelaide im Kindbett starb, dienstlich hatte er in der Stadt jedoch große Erfüllung und Anerkennung erfahren. Schon seine Zeitgenossen bezeichneten ihn als den bis dahin bedeutendsten Rektor des Plauener Gymnasiums, und auch aus heutiger Sicht ist daran nicht zu rütteln.