Gymnasiastenleben in Plauen vor 150 Jahren

von Roland Schmidt

 
Das Schülerleben vor 150 Jahren war keineswegs leicht – die Jahresberichte des Plauener Gymnasiums belegen diese Feststellung auch für die angehenden Akademiker aus dem Vogtland. Die Schüler unterstanden einem festen Tagesregime, das durch eine Hausordnung bis ins Detail bestimmt war, und sie hatten auch mit manchen finanziellen Problemen zu kämpfen. Die Mehrzahl der Schüler des Plauener Gymnasiums war nicht in der Stadt beheimatet. Sie kam aus den verschiedensten Gegenden des Vogtlandes und wohnte in Plauen zur Untermiete. Die Schüler suchten sich ihre Quartiere teils selbst, teils mit Hilfe von Verwandten. Die Schulleitung gewährte dabei Unterstützung, indem sie einschlägige Adressen vermittelte. In jedem Fall musste jedoch der Rektor des Gymnasiums erst sein Einverständnis geben, bevor ein Schüler sein möbliertes Zimmer beziehen durfte, Diese Fürsorgepflicht der Schule war zweifellos berechtigt, waren doch die jüngsten Schüler erst 10 Jahre alt. Sie galt jedoch undifferenziert auch für die Abiturienten, die mit 19 Jahren die Schule verließen. Doch auch der Tagesablauf der Schüler war streng reglementiert, so dass sie auch außerhalb der Unterrichtszeiten zu fleißigem Lernen angehalten wurden. Unter Rektor Prof. Dr. Palm, der das Gymnasium von 1850 bis 1861 leitete, wurde 1851 eine Hausordnung für die Schüler in Kraft gesetzt, die in Plauen ohne elterliche Aufsicht wohnten. Sie bestimmte bis ins Detail die Tageszeiten, an denen sich die Schüler in ihren Quartieren aufzuhalten und wissenschaftlich zu arbeiten hatten. Im Sommer ab 6 und im Winter ab 7 Uhr sollten die Schüler zu Hause über ihren Büchern sitzen, dasselbe nach dem Nachmittagsunterricht von 17 bis 19 Uhr. Gleiches galt für die Sonn- und Feiertage jeweils bis zum Kirchgang. Altere Schüler - Palm nannte sie "Inspektoren" - kontrollierten die Einhaltung dieser Zeiten. Verstöße meldeten sie dem zuständigen Klassenlehrer, der dann gemeinsam mit dem Rektor über eine Bestrafung entschied. Diese Regeln galten jedoch nicht nur für die zur Untermiete wohnenden auswärtigen Schüler, auch die Plauener sollten sich daran halten, wobei die Kontrolle bei den Eltern lag. Schwieriger waren aber die finanziellen Sorgen vieler Schüler, soweit sie aus sozial schwachen Elternhäusern stammten. Das zu zahlende Schulgeld war gewiss noch die kleinste Ausgabe. Es betrug 1835 für einen Primaner pro Quartal 4 Taler und 12 Groschen (das entsprach etwa dem Monatslohn eines Fabrikarbeiters), während zwei Jahrzehnte später 21 Taler pro Jahr zu zahlen waren. Größere Summen mussten dagegen für Unterkunft, Kleidung und Verpflegung aufgebracht werden, so dass viele bedürftige Knaben dankbar die Hilfe von Gönnern annahmen. Vermögende Bürger Plauens stellten für "arme und fleißige Schüler" regelmäßig Freitische zur Verfügung und halfen damit über manches soziale Problem hinweg, und Rektor Palm wurde in seinen Jahresberichten nicht müde, den Sponsoren im Namen der Schüler herzlich zu danken. Begehrt waren aber auch die verschiedenen Stiftungsgelder, über deren Vergabe alljährlich die Gymnasialkommission, geleitet vom Superintendenten der Stadt, auf Vorschlag des Lehrerkollegiums entschied. So hatte der für Plauen zuständige Steuerinspektor Gregorius August Leißner 1820 - drei Jahre vor seinem Tod - neben vielfältigen anderen Schenkungen auch 400 Reichstaler in einem Fonds angelegt, dessen Zinsen jährlich für Bücherprämien an sozial bedürftige Schüler mit guten Leistungen verwendet wurden. Eine Stiftung von Karl Heinrich Höfer brachte jährlich mehr als 16 Taler Zinsen, die zwei Schülern als Stipendien zugute kamen. Eine ähnliche Regelung hatte die Ehefrau Palms kurz vor ihrem Tod 1854 getroffen, und ein Jahr später verfügte der Gymnasialschüler Gustav Hermann Franck, der als Zwanzigjähriger an einer Krankheit starb, in einem Testament, dass aus einem Grundkapital von 1000 Talern "vier würdige und arme Schüler", zwei Primaner und zwei Sekundaner, die Zinsgelder als Stipendien erhalten sollten. Kamen diese Gelder immer auch nur wenigen Schülern zugute, so waren sie für die Auserwählten oft die entscheidende Bedingung, ihren Schulbesuch bis zum Abitur fortsetzen zu können. Für die Gönner waren die Stipendien nicht nur wohltätige Stiftungen, sondern Ausdruck der Erkenntnis, dass es zur Pflege von Bildung und Kultur auch privater Gelder bedarf.