Der Neubau des Plauener Gymnasiums war am 30. September 1911 beendet

von Roland Schmidt

 
Am 30. September 1911 erfüllte sich ein langgehegter Wunsch der Vogtländer: In Plauen wurde das neue Gymnasialgebäude feierlich eingeweiht. In einer großartig aufgezogenen Festwoche nahmen Lehrer und Schüler von ihrer neuen Schule in der Blücherstraße (heute Freiheitsstraße) Besitz. Viele Festredner, unter ihnen der sächsische Minister des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Dr. Beck, der Plauener Oberbürgermeister Dr. Schmid und der Rektor des Gymnasiums, Prof. Dr. Heyden, brachten ihre Freude über die Vollendung des Baus zum Ausdruck und würdigten die Funktion der Schule für die höhere Bildung im Vogtland. Die Vogtländer haben auf diesen Tag lange warten müssen. Zwar zählte die Plauener Lateinschule zu den ältesten in Sachsen, doch die bauliche Beschaffenheit der Schulgebäude war stets hinter den Erfordernissen eines modernen Unter$richts zurückgeblieben. Bis 1815 war die städtische Lateinschule in den damals bescheidenen kirchlichen Räumen in der Endestraße untergebracht. Das von Superintendent Tischer am Schulberg geweihte „Vogtländische Kreisschulhaus" brachte zwar wesentlich bessere Lernbedingungen für die Schüler, doch es erwies sich sehr bald als viel zu klein. Ähnliches war 30 Jahre später zu verzeichnen, denn das 1854 bezogene – und heute noch erhaltene – Gebäude in der Seminarstraße war auch bald überfüllt. Ein Erweiterungsbau in den 70er Jahren brachte kaum Linderung, so dass die Forderung nach einem Neubau für das Gymnasium immer lauter wurde. Die 1888 erfolgte Aufwertung der Schule zum „Königlichen Gymnasium" verlieh den Wünschen zusätzlichen Nachdruck, doch erst weitere 20 Jahre später wurden sie Wirklichkeit. Im Jahr 1903 war die erste Denkschrift über den Gymnasialneubau verfasst worden. Sie führte den Nachweis, dass selbst aufwendige Rekonstruktionsmaßnahmen am alten Gebäude keine zeitgemäße Schule hätten schaffen können, so dass zum Neubau keine Alternative blieb. Daraufhin wurde nach einem geeigneten Grundstück gesucht, das schließlich in der Blücherstraße zwischen der Dittes- und Pestalozzistraße gefunden wurde. Das Königliche Landbauamt Plauen erarbeitete das Projekt, das vom Landtag genehmigt wurde, und im Januar 1909 wurde der Beschluss zum Neubau des Plauener Gymnasiums gefasst. Zwei Monate später erfolgte der erste Spatenstich, und nach zweieinhalb Jahren Bauzeit wurde das Gebäude im September 1911 vollendet. Es war nach damaligen Maßstäben modern erbaut. Ecke Blücher-/Pestalozzistraße erhob sich der Mittelbau mit drei Obergeschossen, dem sich nach beiden Seiten Flügelbauten anschlossen. Im nordöstlichen Flügel befanden sich die Klassenräume sowie die umfangreichen Sammlungen des Gymnasiums, während im südöstlichen Flügel die naturwissenschaftlichen Unterichtsräume untergebracht waren. Der Mittelbau beherbergte dagegen die zentralen Einrichtungen der Schule. Im ersten Obergeschoss befanden sich das Arbeitszimmer des Rektors und das Lehrerzimmer, und das dritte Obergeschoss nahm die beachtliche Bibliothek sowie einen Lese- und Zeichensaal ein. Glanzstück der Schule war der Festsaal im zweiten Obergeschoss des Mittelbaus. Er besaß beiderseits je sieben hohe Fenster, die mit 14 Medaillons geschmückt waren, deren Motive die für Gymnasiasten möglichen Berufe darstellten. Sie waren ein Geschenk der Lehrer an ihre Schule. In der zweiten Etage befand sich ein Karzer für widerspenstige Schüler. Die meisten Räume der Schule waren mit Gasbeleuchtung ausgerüstet, nur der Festsaal und die Bibliothek verfügten bereits über elektrisches Licht. Schließlich gehörten zur Schule noch eine Turnhalle, ein fast 2000 Quadratmeter großer Turnplatz sowie ein größerer Schulgarten. Das neue Gymnasium wurde nicht nur von den Schülern und Lehrern freudig angenommen, auch die Plauener Bevölkerung zeigte sich am Neubau interessiert. Im gesamten Herbst 1911 fanden Führungen für die Öffentlichkeit statt. 34 Jahre lang war das Gymnasium in der Blücherstraße die höchste Bildungsstätte des Vogtlandes, bis es unter den Bomben des Zweiten Weltkrieges in Schutt und Asche versank.