Am 7. Mai 1835 wurde das Plauener Gymnasium eröffnet

von Roland Schmidt

 
Der 7. Mai 1835 ist ein wichtiges Datum in der Plauener Schulgeschichte. An diesem Tag wurde im „Voigtländischen Kreisschulhaus“ am Schulberg nahe der Johanniskirche mit einem feierlichen Akt das Gymnasium eröffnet. Es war aus dem bis dahin bestehenden Verbund mit Stadtschule und Lehrerseminar gelöst worden und bildete für lange Zeit die einzige höhere Schule des Vogtlandes, und auch als später weitere Bildungsstätten das Recht erhielten, ihre Schüler zur Hochschulreife zu führen, blieb die herausragende Stellung der Plauener hohen Schule unangetastet. Es war in Plauen auch bis 1835 möglich gewesen, sich auf ein Universitätsstudium vorzubereiten. So erwarben sich später bedeutende Männer wie Georg Samuel Dörffel, Adam Friedrich Zürner oder Julius Mosen das geistige Rüstzeug dafür in Plauen, und eine Reihe tüchtiger Rektoren hatte es verstanden, die seit 1319 bestehende städtische Lateinschule allen Widrigkeiten der Zeit zum Trotz am Leben zu erhalten, indem sie sich immer neuen Anforderungen stellten. So wuchs im 18. Jahrhundert der Anteil der Schüler, die nur die Elementarklassen besuchten, um dann bürgerliche Berufe zu erlernen, und seit etwa 1790 wurden an der Lateinschule auch angehende Volksschullehrer ausgebildet.1826 gehörte die Plauener Lateinschule zu den Vorreitern bei der Einführung von Abiturprüfungen in Sachsen, bevor sie drei Jahre später offiziell per königliches Dekret verfügt wurde. Doch der dreifache Auftrag, studienvorbereitende Anstalt, Bürgerschule und Lehrerseminar unter einem Dach und mit demselben Lehrkörper zu sein, ließ sich auf die Dauer nicht mit Erfolg realisieren, so dass neue Strukturen geschaffen werden mussten. Die Gründung des Plauener Gymnasiums war jedoch nicht nur eine städtische Tat, sondern auch Folge der Bemühungen des Kultusministeriums in Dresden, das höhere Schulwesen im Königreich besser zu gestalten. Bereits 1831 hatte es die Plauener Lateinschule zu den 13 auserwählten Anstalten in Sachsen erkoren, die künftig allein berechtigt waren, Abiturprüfungen durchzuführen. Per Verordnung vom 21. März 1835 zählte sie zu den 11 höheren Schulen, die fortan die Bezeichnung“Gymnasium“ führen durften. Das bedeutete eine gewaltige Aufwertung der Bildungsstätte, während sie ähnlichen Einrichtungen in Chemnitz und Schneeberg verwehrt wurde. Das Plauener Gymnasium galt 1835 als städtische hohe Schule, die jedoch jährlich mit 1700 Talern aus der Staatskasse unterstützt werden sollte. Rektor wurde Prof. Dr. Johann Gottlob Dölling (1796 – 1850), der bereits seit 1829 die oben genannte Einrichtung mit dem dreifachen Auftrag geleitet hatte. Die Aufsicht über die Schule oblag der städtischen Schulkommission unter Vorsitz des Superintendenten Anton August Fiedler. 104 Knaben nahmen am 7. Mai 1835 den Unterricht auf. Sie verteilten sich auf die vier Gymnasialklassen Prima, Sekunda, Tertia und Quarta sowie auf die als „Progymnasium“ deklarierten Quinta und Sexta. Sie umfassten jeweils einen anderthalbjährigen Lehrgang, insgesamt also eine neunjährige Gesamtschulzeit. Das neu gegründete Gymnasium verfügte über einen wesentlich erweiterten Lehrkörper. Waren bis 1835 für ebenfalls rund 100 Schüler sechs Lehrer zuständig, waren es nun 11 fest angestellte Kollegen, zu denen erstmals auch ein „mathematicus“ zählte. Für Religion, Musik und Zeichnen gab es drei weitere Lehrer, die hauptamtlich am Lehrerseminar oder an der Bürgerschule angestellt waren. Die Freude über die selbstständige hohe Schule war groß. Sowohl die Stadtväter als auch die Plauener Bürger nahmen „ihr“ Gymnasium an. Es bot befähigten Knaben der Stadt gute Bildungsmöglichkeiten, und es förderte auch die Wirtschaftskraft der Stadt, indem es gegen ein leicht erhöhtes Schulgeld Schülern aus dem gesamten Vogtland, aus anderen sächsischen sowie „ausländischen“ Gebieten offen stand, die beherbergt und verpflegt werden mussten. Doch schon ein Jahr nach der Gründung wurde diese Freude von tiefen Sorgen getrübt, da das Kultusministerium die versprochenen 1700 Taler nicht aufbringen konnte. Ähnlich war die Situation des Annaberger Gymnasiums, so dass die oberste Schulbehörde kurzerhand die Auflösung beider Einrichtungen ankündigte. Die Plauener Stadtväter als auch die Räte zahlreicher anderer Städte und Gemeinden des Vogtlandes warnten vor den negativen Folgen für das geistige Potential und die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Ihre energischen Proteste zwangen beide Kammern des Landtages, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Am 7. Juli 1837 fand die entscheidende Sitzung der II. Kammer statt, in der der Adorfer Bürgermeister Carl Todt (1803 – 1852) als Wortführer auftrat. Er erklärte es für abwegig, Einsparungen ausgerechnet im Bildungsbereich vorzunehmen und hielt der Regierung vor, dass sie für die Pferdezucht mehr Steuergelder ausgebe als zur Ausbildung befähigter junger Männer. Todts Argumente zeigten Wirkung, sie zwangen das Ministerium, dem Plauener Gymnasium die versprochenen Gelder auch weiter zu gewähren. Das war ein wichtiger Schritt zur Rettung des Gymnasiums, doch die endgültige Existenz war noch nicht gesichert. Die langen Monate der Ungewissheit über die Zukunft der Schule hatten die Schülerzahl sinken lassen, so dass nur noch rund 60 % des geplanten Schulgeldes eingenommen wurde. Dieses Defizit konnte die Stadt nicht ausgleichen, folglich konnten die fälligen Lehrergehälter nur unregelmäßig gezahlt werden. 1839 musste die Stelle des dritten Lehrers ersatzlos entfallen, was Kürzungen im Unterrichtsangebot sowie den Verzicht auf die Aufnahme einer neuen Sexta nach sich zog, was die weitere Perspektive der Schule wiederum in Frage stellte. Noch einmal wandten sich alle vogtländischen Städte an beide Kammern des Landtages mit der Bitte, den Zuschuss für das Plauener Gymnasium zu erhöhen. Doch erst drei Jahre (!) später, am 1. April 1843, wurde eine endgültige Regelung getroffen. Das Plauener Gymnasium erhielt eine „gemischte Kollatur“, d.h. Stadt und Staat trugen fortan gemeinsam die Verantwortung für die Schule. Die Stadt übernahm die Sachkosten, das Königreich die Anstellung und Finanzierung der Lehrkräfte. Erfreut konnte deshalb Rektor Dölling im Jahresbericht 1842/43 schreiben, das Gymnasium gewinne „endlich nach einem siebenjährigen Zustand des Hangens und Bangens, des Hoffens und Harrens … wieder neues Leben und frischen Mut.“ Die Existenz des Gymnasiums war nun fest begründet, und es führte viele befähigte Vogtländer auf den Weg zu Universitäten und Hochschulen.