Adolph Friedrich Wimmer lebte für seine Schüler und seine Schule

von Roland Schmidt

 
Im 18. und 19. Jahrhundert standen der Plauener Hohen Schule bedeutende Männer vor. Einige hatten sich - aus ihrer Lehrtätigkeit heraus, aber auch durch konsequentes Verfolgen eigenständiger wissenschaftlicher Ziele - hohe Anerkennung als Philologen erworben, andere hatten ihre Arbeit am Plauener Lyceum als Ausgangspunkt für die Leitung bedeutenderer Bildungsstätten in Deutschland betrachtet. Auf Magister Adolph Friedrich Wimmer, der der Einrichtung von 1800 bis 1829 vorstand, treffen beide Aspekte nicht zu. Ihm ging es weder um wissenschaftlichen Lorbeer noch um ein Sprungbrett für eine glorreiche Karriere. Er sah seine Aufgabe vor allem in der täglichen Pflichterfüllung für die ihm anvertrauten Schüler, im Erhalt und im ständigen Ausbau der ihm übertragenen Schule. Die äußeren Bedingungen dafür waren gewiß nicht gut. In der ersten Hälfte der Wimmerschen Amtszeit setzte die Napoleonische Besatzung der Stadt Plauen seinen Plänen und Wünschen enge Grenzen, und auch nach 1815 erforderte der tägliche Kampf um das Wohl der Schule viel Kraft. Doch Friedrich Wimmer stand dabei seinen Mann. Mit einer bewundernswerten Energie focht er Schritt für Schritt für eine bessere materielle Ausgestaltung der Schule, und mit gleichem Elan gab er dem Lyceum eine neue Lehrverfassung, erweiterte die Unterrichtsgegenstände und modernisierte die methodische Gestaltung der Lektionen. Sein Eifer für die Schule überschritt oftmals seine körperlichen Kräfte, und doch prägte er Wimmers Schaffen bis zu seinem Tod. Manche seiner fruchtbaren Ideen sank mit ihm ins Grab. Adolph Friedrich Wimmer stammte aus Knobelsdorf bei Waldheim, wo er am 19. Juli 1770 als Sohn eines Predigers geboren worden war. Vom Vater erhielt er den ersten Unterricht, danach bezog er die Fürstenschule St. Afra in Meißen und ging anschließend zum Studium der alten Sprachen an die Universität Wittenberg. Eigentlich schwebte ihm die Laufbahn als Hochschullehrer vor, aber seine be scheidenen materiellen Verhältnisse zwangen ihn, sich als Hauslehrer bei Pastor Merz in Schöneck zu verdingen. So schloß er die Bekanntschaft mit dem Vogtland, die nie mehr abreißen sollte. Als 1796 die Stelle des Konrektors am Plauener Lyceum zu besetzen war, folgte Wimmer freudig dem Wunsch seines Wittenberger Studienfreundes, Magister Johann August Görenz, sein Stellvertreter zu werden. Vier Jahre später, als Rektor Görenz nach Zwickau wechselte, übernahm Wimmer die volle Verantwortung für die Schule. Wimmer sah viele Dinge der täglichen Schularbeit, die einer gründlichen Umgestaltung bedurften, und er fand im Superintendenten Tischer, der von 1798 bis 1822 zugleich mit seinem Kirchenamt die oberste Schulaufsicht ausübte, nicht nur einen verständnisvollen Förderer seiner Pläne, sondern selbst den eifrigsten Verfechter neuer Ideen und ihrer praktischen Verwirklichung. Als erste Maßnahme gab Wimmer im Einverständnis mit Tischer der Schule eine neue Lehrverfassung. Sie trug der inneren Dreiteilung der Schülerschaft Rechnung, indem sie deutlicher zwischen den Klassen der Bürgerschule, des Gymnasiums und des Lehrerseminars unterschied und entsprechend auch differenzierte Bildungs- inhalte anbot. Neben dem allgemeinen Unterricht für alle gab es spezielle Stunden für künftige Studenten oder Volksschullehrer. So wurde - für die damalige Zeit durchaus spektakulär - kaufmännisches Rechnen eingeführt, und die angehenden Lehrer übten sich verstärkt im Katechisieren und Singen. Zur Umsetzung dieser Konzeption gewannen Wimmer und Tischer geeignete Lehrkräfte, und bis 1810 konnte die Schülerzahl in den oberen Klassen des Lyceums auf 75 (gegenüber 44 im Jahre 1803) gesteigert werden. Eine zweite Aufgabe sah Wimmer - wiederum im Bunde mit Tischer - in der Verbesserung der materiellen Ausrüstung der Schule. Er focht mit dem Stadtrat um höhere finanzielle Zuwendungen, und er wandte sich auch - mit Erfolg! - an König Fried- rich August III. mit der "untertänigsten Bitte", die Plauener Schule besser auszurüsten. Die Eröffnung des "Vogtländischen Kreis- schulhauses" am Schulberg am 17. April 1815, die vor allem durch Sponsorengelder ermöglicht wurde, war zweifellos das wichtigste Ergebnis, da damit die bis dahin völlig ungenügenden Raumbedingungen der Plauener Hohen Schule beseitigt werden konnten. Schließlich wurden unter Wimmers Leitung am Plauener Lyceum erstmals Abiturprüfungen durchgeführt. Die Notwendigkreit, den Zugang zum Studium von einer besonderen Abschlußprüfung an den Hohen Schulen abhängig zu machen, war in den verschiedenen deutschen Ländern schon mehrfach versucht worden, ohne daß schon überall gültige Formen gefunden worden waren. Auf Anregung von Superintendent Fiedler, Tischers Amtsnachfolger, fanden Ostern 1826 am Plauener Lyceum erstmals Reifeprüfungen statt - erst drei Jahre später wurden sie an allen Hohen Schulen Sachsens verbindlich eingeführt. Friedrich Wimmer hatte diese Prozesse nicht nur maßgeblich geführt, sondern auch mit zwei Broschüren für die Nachwelt doku- mentiert. 1816 verfaßte er die "Nachricht von der Gelehrtenschule zu Plauen", und 1827 versuchte er sich als einer der ersten mit einer "Kurzen Geschichte der lateinischen Stadtschule zu Plauen". Bei alledem darf aber nicht vergessen werden, was Adolph Friedrich Wimmer für seine Schüler war - ein strenger und fordernder, zugleich aber verständnisvoller und liebender Lehrer. Kein geringerer als Julius Mosen bezeugte das in seinen "Erinnerungen", die natürlich auch den Jahren von 1817 bis 1821 am Plauener Lyceum galten. Er verehrte Wimmer, und als der geliebte Lehrer nach längerem Krankenlager wieder seinen Dienst aufnahm, widmete ihm Mosen ein Gedicht in lateinischer Sprache. Freilich sah Mosen mit wachsender Reife auch manche Einseitigkeit in Wimmers Lehrweise und ließ ihn das auch wissen. Erst eine Aussprache des Rektors mit Mosens Vater, dem Kirchschullehrer von Marieney, konnte die Wogen glätten, und auch in späteren Jahren bewahrte Mosen seinem Plauener Lehrer ein ehrendes Andenken. Als der angehende Dichter 1825 eine Italienreise unternahm und dabei auch das Grab des römischen Philosophen Vergil in Neapel besuchte, riß er in der Nähe einen Lorbeerzweig und schickte ihn Wimmer. Der war tief gerührt und berichtete davon voller Stolz seinen Schülern. Seine Ehefrau sah das freilich etwas anders, denn ihr Mann hatte für das Paket noch 1 Taler und 12 Neugroschen Porto bezahlen müssen. "Für zwei Pfennige bekomme ich eine ganze Handvoll Lorbeerblätter", hielt die sparsame Frau ihrem entzückten Gatten entgegen. Doch Adolph Friedrich Wimmer ließ sich seine Freude nicht vergällen. Er verstand Mosens Geste als Würdigung seiner Arbeit zum Wohle der Schüler und des Plauener Lyceums. Als Wimmer am 4. Mai 1829 starb, verlor nicht nur Plauen, sondern das gesamte Vogtland einen großen, in der alltäglichen Pflichterfüllung gegenüber seiner Schule und seinen Schülern aufgehenden Pädagogen.