20 Jahre Rektor in schwieriger Zeit

von Roland Schmidt

 
Vor gut 150 Jahren, am 19. Februar 1850, fiel die Stadt Plauen in Trauer. Gesellschaftliche Veranstaltungen wurden abgesagt, und in zahlreichen Nachrufen wurde eines Mannes gedacht, der sich in der Stadt großer Anerkennung und Beliebtheit erfreut hatte und in der wissenschaftlichen Welt als bedeutender Lateiner geschätzt wurde. Es war Prof. Dr. Johann Gottlob Dölling, der mehr als 20 Jahre das Plauener Lyceum bzw. Gymnasium geleitet hatte und - noch nicht 54 Jahre alt - am oben genannten Tag verstorben war. Wenige Tage später gab ein schier endloser Trauerzug dem Toten das letzte Geleit, und die für das Unterrichtswesen Verantwortlichen des Königreiches Sachsen und der Stadt Plauen wußten, dass die durch Döllings Tod entstandene Lücke nicht sogleich zu schließen sein würde. Johann Gottlob Dölling stammte aus Adorf, wo er am 21. März 1796 als Sohn eines Schneidermeisters und dessen Ehefrau geboren worden war. Bereits als kleiner Junge fiel er durch Intelligenz und Lerneifer auf, und er fand in der Kirchschule seiner Heimatstadt eine verständnisvolle Förderung. Die sozialen Verhältnisse der Eltern ließen jedoch eine seinen Fähigkeiten entsprechende Schulbildung - wie z.B. den Besuch des Plauener Lyceums - nicht zu. Der Adorfer Rechtsanwalt Becker fand jedoch eine Möglichkeit, Dölling eine höhere Bildung zu sichern. Er empfahl ihn mit Erfolg für eine der sieben Freistellen, die dem Vogtland seit 1563 an der Fürstenschule Schulpforta bei Naumburg zur Verfügung standen. Sinn dieser Stellen war es, befähigten Knaben aus den einfachsten Schichten des Volkes eine qualifizierte Schulbildung auf Kosten des Staates bzw. des Landesfürsten zu geben und sie auf ein Universitätsstudium vorzubereiten. Johann Gottlob Dölling nutzte von 1809 bis 1815 diese Chance. War sein Weg bis hierhin sozial abgesichert, so war er in den folgenden vier Jahren als Student der alten Sprachen in Leipzig nahezu mittellos. In bedrückender Armut, aber mit hohem Fleiß studierte er Latein, Griechisch und Hebräisch und trat 1819 seine erste Stelle als Hauslehrer in Naumburg an. Noch im gleichen Jahr erhielt er eine Anstellung am Plauener Lyceum, die er bis 1828 mit hoher Sachkenntnis und pädagogischem Geschick ausübte. Danach wurde er 2. Professor am Altenburger Gymnasium, doch bereits 1829 kehrte er an seine bisherige Wirkungsstätte zurück. Dölling übernahm - damals 33 Jahre alt - die Amtsnachfolge des verstorbenen Rektors Adolf Friedrich Wimmer. Seit dem 1. Novemebr 1829 zeichnete er für die Hohe Schule des Vogtlandes verantwortlich, und er übte diese Funktion mehr als 20 Jahre hindurch aus, bis zu seinem Tod im Frühjahr 1850. Gewiß war das Rektorenamt dieser Plauener Bildungsstätte zu keiner Zeit eine leichte Aufgabe, doch die Jahre zwischen 1830 und 1850 waren mit so vielen grundlegenden Problemen beladen, die die weitere Existenz der Einrichtung nicht selten in Frage stellten. In allen Jahren hielt Rektor Dölling das Steuer fest in der Hand, er führte die Schule um zahlreiche strukturelle und finanzielle Klippen herum und lenkte sie schließlich in eine gesicherte Zukunft. Das alles geschah neben den Alltagspflichten der Schulleitung, neben 13 Unterrichtsstunden pro Woche und neben anspruchsvoller wissenschaftlicher Arbeit. Döllings erstes großes Aufgabengebiet war die Umgestaltung des Lyceums in ein Gymnasium, die seit 1833 vorbereitet und 1835 vollzogen wurde. Sie verlangte neue Klassenstrukturen zu entwickeln und entsprechende Lehrpläne zu konzipieren, vor allem auch für die bisher kaum gepflegten Fächer Mathematik und Naturwissenschaften. Kaum war das Gymnasium gegründet, wurde es von 1836 bis 1843 wiederholt von der Königlichen Regierung in Dresden in Frage gestellt. Aus finanziellen Gründen gestrichene Lehrerstellen ließen die gründlich erarbeiteten Lehrpläne zur Farce werden, und auch die Lehrer mußten bei der Stange gehalten werden, nachdem sie viele Monate hindurch nur Bruchteile ihres Gehalts ausgezahlt bekamen. Schließlich forderten auch die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49, die ja bis in das Gymnasium direkt hineinwirkten, einen erhöhten Kraftaufwand des Rektors. Diesen Schwierigkeiten zum Trotz ließ sich Dölling in seiner pädagogischen Arbeit nicht beirren. Er befähigte seine Schüler auf philologischem Gebiet zu hohen Leistungen, durchschnittlich 7 Schüler gingen in jedem der Amtsjahre Döllings zur Universität über - für die damalige Zeit eine beachtliche Zahl. Zwei seiner Schüler, Konstantin von Tischendorf und Johann Gottfried Wetzstein, gelangten nicht zuletzt wegen ihrer bei Dölling und seinen Kollegen erworbenen altsprachlichen Kenntnisse Weltruhm. Darüber hinaus verschaffte sich Dölling unter der Fachwelt einen Namen durch seine Arbeiten über Statius, einem römischen Dichter des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Das alles tat Dölling ohne viel Aufheben, in täglicher stiller Pflichterfüllung. Sein gediegenes Wissen und die Fähigkeit, auf seine Mitmenschen zuzugehen und ihre Probleme ernst zu nehmen, sicherten ihm nicht nur die Liebe seiner Schüler, sondern auch die Achtung seiner Kollegen und vieler Bürger der Stadt. Die Trauer und Betroffenheit, die 1850 sein früher Tod hervorrief, kamen deshalb aus tiefstem Herzen.