1928 - Plauener Oberrealschule bezieht neues Gebäude

von Roland Schmidt

 
Sein Alter ist dem imposanten Schulhaus in der Jößnitzer Straße nicht anzusehen. Die in freundlich hellen Farben gehaltene Fassade lädt regelrecht zum Lernen ein, und auch seine innere Ausstattung mit den verschiedensten Fachkabinetten, Klassenräumen, mit Turnhalle und Aula bietet den Schülern der Klassen 7 bis 12 des naturwissenschaftlich und neusprachlich akzentuierten Plauener Lessing-Gymnasiums und ihren Lehrern beste Arbeitsbedingungen. Dennoch ist das Schulhaus 80 Jahre alt. Am 28. März 1928 wurde es durch Oberbürgermeister Georg Lehmann feierlich geweiht und als Oberrealschule seiner Bestimmung übergeben. Damit erhielten etwa 800 Schüler aus Plauen und anderen Orten des Vogtlandes endlich ein eigenständiges Gebäude, in dem sie sich in einem damals neunjährigen Lehrgang in den Klassen 5 – 13 auf das Abitur und ein anschließendes Studium vorbereiten konnten. Das vom Plauener Stadtbaurat Wilhelm Goette entworfene Schulhaus bot mit seinen 22 Klassenzimmern mit je 32 bis 36 Arbeitsplätzen, einem großen Unterrichtsraum für 72 Schüler und speziellen Räumen für Naturwissenschaften beste Lernbedingungen. Zwei Turnhallen und eine repräsentativ gestaltete Aula standen für schulische Zwecke, aber auch für Vereine zur Verfügung, und schließlich fand auch das äußere Aussehen der Schule hohe Anerkennung. Seine 85 m lange Hauptfassade an der Jößnitzer Straße sowie die 45 m bzw. 32 m langen Seitenflügel entlang der Schlachthof- und Chamissostraße ließen das Schulhaus zu einem architektonischen Glanzpunkt der Stadt werden. Der Stolz auf das Geschaffene, der in allen Festreden des Weiheaktes vom 28. März 1928 zum Ausdruck kam, war völlig berechtigt. Keine andere Plauener Schule hatte solch schwierige und lang dauernde Geburtswehen erleiden müssen wie dieser Neubau in Preißelpöhl. Die nun erfolgte Übergabe eines modernen Gebäudes für die Oberrealschule war längst überfällig. Seite der Mitte des 19. Jahrhunderts war überall in Deutschland die Forderung immer lauter geworden, der rasch fortschreitenden Entwicklung der Naturwissenschaften und Technik auch im höheren Schulwesen Rechnung zu tragen. Neben das Gymnasium mit seinem umfassenden Latein- und Griechischunterricht sollte eine Schulform treten, die sich auf die Mathematik und die naturwissenschaftlichen Fächer konzentrierte und zu einem lateinlosen Abitur führte. Unter der Bezeichnung „Oberrealschule“ entwickelte sich dieser Schultyp in Preußen bereits seit 1882, Sachsen führte ihn jedoch erst 1908 ein. Bald gab es entsprechende Einrichtungen in Dresden, Leipzig, Chemnitz, Bautzen und Meerane, nicht aber in Plauen. Die Gründe für dieses Zögern lagen im rasanten Wachstum der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der in schneller Folge den Bau neuer Volksschulen erforderte. Für eine städtische Oberrealschule stand zunächst kein Geld zur Verfügung, zumal in den Jahren 1908/09 am Bärenstein das Realgymnasium – die heutige Friedensschule – errichtet wurde. Erst 1913 beschlossen die Stadtverordneten, die sechsjährige Realschule an der Syrastraße ab Ostern 1914 jahrgangsweise zu einer neunjährigen Oberrealschule aufzustocken, so dass für 1917 ihre ersten Abiturienten zu erwarten waren. Da das alte Schulhaus an der Syrastraße dafür zu klein wurde, entschied sich das Stadtparlament am 9. Juni 1914 für einen Neubau in der Jößnitzer Straße, mit dem noch im gleichen Jahr begonnen werden sollte. Doch der Erste Weltkrieg ließ diesen Beschluss Makulatur werden. Die politischen Nachkriegswirren und die Inflation verzögerten den Schulbau abermals, und erst ab 1925 konnten die Pläne Wirklichkeit werden, freilich mit einem Kostenaufwand von rund einer Million Reichsmark zum doppelten Preis gegenüber dem Jahr 1914. Neun Jahre, von 1928 bis 1937, beherbergte das Gebäude die Plauener Oberrealschule. Dann brachten die Nationalsozialisten in ihm die Städtische Oberschule für Jungen unter, die 1938 nach dem aus Plauen stammenden sächsischen NSDAP-Gauleiter Martin Mutschmann benannt wurde. Zwei Jahre später funktionierten die Nazis die Schule zu einem Kriegslazarett um, bevor sie 1944/45 im Bombenhagel schwer zerstört wurde. Der Wiederaufbau war äußerst schwierig, erst im September 1950 konnte die Schule wieder ihre Pforten öffnen. Unter dem Namen „Thälmannschule“ diente sie zunächst als achtjährige Grund-, später als zehnjährige Polytechnische Oberschule allen Kindern des Stadtteils Preißelpöhl als Bildungsstätte. Seit Anfang der fünfziger Jahre führte sie auch Klassen mit erweitertem Russischunterricht. Doch auch die Bautätigkeit ging weiter. Eine neue Turnhalle, die prächtige Aula und der modern gestalteter Schulhof seien als wichtigste Ergebnisse genannt.Die politische Wende 1989/90 brachte dem Schulhaus in der Jößnitzer Straße eine erneute Veränderung: Nach einer grundlegenden Sanierung wurde es 1992 wieder Heimstätte einer höheren Schule, indem das neu gegründete Lessing-Gymnasium mit den Klassenstufen 7 bis 12 einzog, während die rund 170 Schüler der Klassen 5 und 6 aus Platzgründen in der Außenstelle in der Friedrich-Engels-Straße untergebracht wurden. Seitdem führen die Pädagogen ihre rund 750 Schüler zu hohen Lernleistungen, die u.a. in den Abiturnoten zum Ausdruck kommen, aber auch zu allseits anerkannten Erfolgen auf musischem und sportlichen Gebiet. Das wird gewiss auch in der Zukunft so sein.