Die Dankbarkeitsstiftung des Moritz Erdmann Engel

von Roland Schmidt

 
Der Plauener Stadtdiakon Moritz Erdmann Engel hat sich auf vielfältige Art um das Wohl seiner Mitbürger verdient gemacht, so dass die am Arbeitsamt gelegene Straße zu Recht sein Andenken ehrt. Er wurde am 27. Juli 1767 in Plauen als Sohn eines Steuereinnehmers und Ratsstuhlschreibers geboren, besuchte das hiesige Lyceum und studierte ab 1786 in Leipzig Theologie. 1792 kehrte er in seine Heimatstadt zurück und wirkte acht Jahre als Lehrer am Plauener Lyceum, bevor ihn Superintendent Tischer im Jahre 1800 als Land- und kurze Zeit später als Stadtdiakon berief. Dieses Amt übte er bis zu seinem Tod am 10. Februar 1836 aus. Zu seinen Aufgaben gehörten die verschiedensten seelsorgerischen Pflichten, jedoch nicht als selbständiger Pfarrer, sondern als Mitarbeiter des Superintendenten. Engel fühlte sich in dieser Position sehr wohl, so dass er wiederholt Angebote zu eigenverantwortlicher und besser bezahlter Tätigkeit ausschlug. Er konnte sich den Armen der Stadt widmen, und manche dankbare Geste der Bedürftigen für erwiesene Hilfe im Kampf um das tägliche Brot war ihm Lohn genug. Außerdem ließ ihm seine berufliche Stellung genügend Zeit, sich journalistischen und schriftstellerischen Arbeiten zu widmen. Sie dienten dem gleichen Anliegen, nämlich Wissen und Aufklärung unter das Volk zu bringen und auf diesem Wege die Menschen zu befähigen, in der Landwirtschaft, im Handel und Gewerbe effektivere Ergebnisse zu erzielen und damit ihre Lebenssituation zu verbessern. 42 Jahre lang, von 1794 bis zu seinem Tod 1836, war er alleiniger Redakteur des „Voigtländischen Anzeigers“ und seiner Vorläufer-Organe, die damals als Wochenzeitungen erschienen. Viele Artikel schrieb Engel selbst, vor allem zu Fragen des Ackerbaus. Gleichzeitig trat er als Autor mehrerer Schulbücher hervor. So verfasste er 1791 noch in Leipzig ein geographisches Handbuch, später schrieb er Erstlesebücher für Kinder und gab verschiedene andere moralisierende Schriften für Jugendliche und ihre Eltern heraus. Doch auch zu politischen Fragen bezog er Stellung. 1831 verfasste er eine Studie über die Rechte und Pflichten, die den Lehrern an den öffentlichen Schulen des Landes aus der ersten sächsischen Verfassung erwuchsen, und später schrieb er über die Auswirkungen der seit 1832 in Sachsen eingeleiteten Fronablösung der Bauern auf die wirtschaftliche Entwicklung des Königreiches. Bei aller thematischen Vielfalt, die Engels Schriften kennzeichnete, blieb aber sein geistliches Amt für die Mehrzahl der Veröffentlichungen prägend. So verfasste er mehrere Lehrbücher für den Religionsunterricht der Kinder und 1827 eine „Kurzgefasste Geschichte der christlichen Religion und der Kirche“, die mehrmals aufgelegt wurde. Sein wichtigstes Werk war aber „Der Geist der Bibel für Schule und Haus“, das 1824 erstmals in Plauen erschien und zu Engels Lebzeiten weitere 11 Auflagen erfuhr. 1846 kam dieses Buch letztmalig in 15. Auflage in Leipzig heraus. Es hatte Engel große Anerkennung gebracht, indem es von Geistlichen und Pädagogen gleichermaßen gute Kritiken erfuhr und in den Schulen erfolgreich als Lehrmaterial diente. Auch der materielle Ertrag des Buches konnte sich für Engel sehen lassen. Doch seiner ganzen Lebenshaltung entsprechend beanspruchte der Autor dieses Geld nicht für sich. Er wollte es vielmehr gemeinützigen Zwecken zukommen lassen, wobei er fest auf ähnliche menschenfreundliche Aktivitäten betuchter Mitbürger der Stadt Plauen und des gesamten Vogtlandes setzte. Sie sollten seinem Beispiel folgen und mit ansehnlichen Geldmengen seiner „Dankbarkeitsstiftung“ beitreten, deren Zinserträge dann für soziale Zwecke verwendet werden sollten. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht, so dass Engel sehr bald gezwungen war, seine euphorisch verkündeten Ziele drastisch zu reduzieren. Doch auch danach ging sein Vorhaben nicht auf, weil sich die äußeren Bedingungen für seine Rechnung änderten, so dass es fast ein Jahrhundert später als ein Flop endete. Doch der Reihe nach. Moritz Erdmann Engel wollte die Stiftung ursprünglich am 25. Juni 1830 ins Leben rufen, dem 300. Jahrestag der Übergabe des „Augsburger Bekenntnisses“, der schriftlich formulierten Grundzüge des Lutherischen Glaubens, an Kaiser Maximilian. Dazu setzte er selbst 100 Taler als ersten Beitrag zum Stammkapital ein. Sie entsprachen dem geschätzten Wert einer goldenden Dose, die Engel vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. als Anerkennung für sein Buch „Der Geist der Bibel...“ erhalten hatte. Zum gleichen Zeitpunkt forderte er öffentlich auf, seinem Beispiel zu folgen. Er hoffte auf so viel Kapital, dass davon ab 1930 – also hundert Jahre später – alljährlich 40 000 Taler an Zinsen abfallen würden. Diese ansehnliche Summe sollte dann Jahr für Jahr für kirchliche und schulische Zwecke, aber auch für die weitere Gestaltung der Infrastruktur der Stadt Plauen verwendet werden. Dazu erließ er ausführliche Instruktionen. Als Geistlicher bedachte er natürlich vorrangig die Plauener Kirchen, doch auch für das Schulwesen waren jährlich 6000 Taler bestimmt. Davon sollten das Lyceum, die Mädchenschule und das Lehrerseminar baulich gefördert und mit besseren Lehrmitteln ausgerüstet werden, und die Gehälter der Lehrer wollte er durch Zuschüsse erhöhen. Außerdem sollte eine Kinderbewahranstalt gegründet und die Stelle eines Schwimmlehrers finanziert werden. Da Engels Aufruf nicht das erwartete Echo gefunden hatte, sah er sich schon zwei Monate später, am 25. August 1830, zu einer drastischen Korrektur gezwungen. Zwar hielt er auch weiterhin an seinem Gedanken fest, dass erst die vierte oder gar fünfte Generation zu Nutznießern der Stiftung werden sollte, doch reduzierte er das Grundkapital so weit, dass ab 1930 bereits bei einer Zinssumme von alljährlich 20 000 Talern die Auszahlungen beginnen sollten. Natürlich musste Engel viele Positionen von seiner Verteilungsliste streichen, beim Schulwesen wurde aber am wenigsten gekürzt. Doch auch jetzt kam die Stiftung noch nicht in Gang, so dass ihr Initiator am 25. Juni 1833 eine nochmalige Reduzierung vornehmen musste. Nunmehr wollte er sich mit einem Stammkapital bescheiden, das 1930 erstmals 10 000 Taler Zinsen abwerfen sollte. Natürlich musste er die Zahl derer nochmals verringern, die von da an alljährlich als Nutznießer gedacht waren, doch mit 500 Talern standen die städtischen Schulen an der Spitze der konkret ausgewiesenen Gelder. Nun trat die Stiftung wirklich in Kraft, doch die edlen und gutgemeinten Pläne des Moritz Erdmann Engel erfüllten sich dennoch nicht. Zum einen folgten viel zu wenige Bürger seinem Stiftungsaufruf, so dass das Stammkapital zu klein blieb, zum anderen unterlagen die Zinssätze in der Folgezeit großen Schwankungen. Der Plauener Heimatforscher Alwin Neupert korrigierte deshalb schon vor 100 Jahren Engels Berechnungen, indem er die erhoffte Zinssumme anstatt für 1930 erst für das Jahr 2011 erwartete. Doch auch dann wird der Geldsegen ausbleiben, denn Krieg und Inflation haben vom Stammkapital nichts übrig gelassen.