Vor 150 Jahren starb Professor Dr. Christian Gottlieb Pfretzschner

von Roland Schmidt

 
Als erstem Pädagogen wurde ihm 1854 die Plauener Ehrenbürgerschaft verliehen, und diese Auszeichnung erhielt er zu Recht: Professor Dr. Christian Gottlieb Pfretzschner, dessen Todestag sich am 6. Februar 2011 zum 150 Male jährt. Pfretzschner wurde am 8. August 1797 in Adorf als Kind eines Lohgerbers geboren. Er besuchte die Stadtschule seiner Heimatstadt und von 1811 bis 1816 das Plauener Lyceum, um anschließend in Leipzig Philologie zu studieren. 1819 kehrte er an das Plauener Lyceum zurück und unterrichtete fortan Latein und Griechisch. Darüber hinaus übernahm er Leitungsaufgaben in dieser Schule. Als sie 1835 zum Gymnasium erhoben wurde, wurde er zum Prorektor ernannt, und er blieb in dieser Funktion bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1854. Seine Schüler schätzten ihn als fordernden und fördernden Lehrer, der sich auch außerhalb des Unterrichts um das junge Plauener Gymnasium verdient machte. Als das sächsische Kultusministerium 1836 die Absicht bekundete, die eben neu gegründeten Gymnasien in Plauen und Annaberg aus finanziellen Gründen wieder zu schließen, verfasste Prorektor Pfretzschner eine sachkundige Streitschrift, die er anonym veröffentlichte. Er widerlegte die Argumente der Königlichen Regierung und förderte bei vielen Landtagsabgeordneten einen Prozess des Umdenkens. So trug Pfretzschner wesentlich dazu bei, dass zumindest die Plauener Einrichtung erhalten blieb. Die meisten Lorbeeren erwarb sich Prorektor Pfretzschner aber in seinen ehrenamtlichen Funktionen. Bereits als junger Lehrer gehörte er zu den wenigen Altsprachlern, die die Rolle der mathematischen und naturwissenschaftlichen Bildung für die wirtschaftliche Entwicklung des Vogtlandes erkannten, und er tat alles, um sie der jungen Generation zu vermitteln. So gründete er im Januar 1832 in Plauen eine Sonntagsschule, die schulentlassenen Jugendlichen auf freiwilliger Basis Gelegenheit bot, ihre in der Volksschule erworbene – zumeist bescheidene – Allgemeinbildung zu vertiefen und somit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Er warb Lehrer für eine unentgeltliche Tätigkeit an dieser Bildungsstätte, gewann Fabrikanten und Handwerksmeister als Sponsoren, und setzte sich dafür ein, diesen Sonntagsschulen einen verstärkt technischen Bildungsinhalt zu geben. Das gelang ab1836, indem neben Mathematik und Naturwissenschaften auch Technisches Zeichnen und Musterzeichnen gelehrt wurden. Im gleichen Jahr hatte die Regierung in Dresden beschlossen, in Plauen eine Königliche Gewerbschule zu gründen, und sie fand in Christian Gottlieb Pfretzschner einen sachkundigen und engagierten Leiter. Diese staatliche Schule bereitete 14- bis 17-jährige Knaben nach dem Besuch der Volksschule in einem dreijährigen Vollzeitkurs auf gehobene Tätigkeiten in Industrie und Gewerbe oder auf ein Studium an der Polytechnischen Schule in Dresden vor.1840 wurde der Plauener Gewerbschule auch eine Baugewerkeschule angeschlossen. Die Königliche Gewerbschule Plauen bestand bis 1854, dann wurde sie in eine Realanstalt umgewandelt und mit dem Gymnasium vereinigt. Gut dreißig Jahre hat Christian Gottlieb Pfretzschner neben seinem Unterricht am Gymnasium in ehrenamtlicher Tätigkeit die Verbreitung mathematisch-naturwissenschaftlicher und technischer Kenntnisse in Plauen und im ganzen Vogtland gefördert. Er konzipierte Unterrichtspläne für seine Schulen und achtete auf ihre sorgfältige Umsetzung. Vor allem bemühte er sich, immer mehr Industrielle und Handwerksmeister vom Nutzen „seiner“ Bildungsstätten zu überzeugen und zu Geldspenden zu bewegen, bevor es ihm1854 gelang, sie zu vertraglich fixierten Jahresbeiträgen zur Weiterentwicklung der Gewerblichen Sonntagsschule zu verpflichten. Dagegen blieb sein Wunsch, für alle Jungen und Mädchen eine obligatorische Fortbildungsschule zu sichern, zu seinen Lebzeiten unerfüllt. Erst das sächsische Volksschulgesetz von 1873 realisierte diese Bildungsmöglichkeit wenigstens für die Knaben. Als Pfretzschner 1854 in den Ruhestand treten wollte, glückte ihm dieser Schritt nur in seiner hauptamtlichen Funktion am Gymnasium. Dagegen erklärte die Stadt Plauen, es würde sie „ein empfindlicher Verlust treffen“, wenn er auch die Leitung der Gewerblichen Sonntagsschule niederlegen würde. Sie hatte Recht, und so übte Christian Gottlieb Pfretzschner dieses verantwortungsvolle Amt bis zu seinem Tod am 6. Februar 1861 aus. Unter großer Anteilnahme vieler Plauener Bürger fand er auf dem damaligen Friedhof an der Lutherkirche seine letzte Ruhe.