4. September 1913: Vor 100 Jahren wurde das Gebäude der Plauener Gewerbeschule eröffnet

von Roland Schmidt

 
Die alte Redewendung „Besser neu- als umbauen“ treffe diesmal nicht zu – mit diesen Worten übergab am 4. September 1913 der Plauener Oberbürgermeister Dr. Julius Dehne das Schulgebäude der Städtischen Gewerbeschule in der Seminarstraße 13 seiner Bestimmung. Und in der Tat konnte sich das sanierte Schulgebäude, das bis zum Herbst 1911 Heimstätte des Plauener Gymnasiums war, sehen lassen. Für die damals ansehnliche Summe von knapp 240 000 M hatte die Stadt das gesamte Schulhaus nicht nur umbauen, sondern auch um ein größeres Gebäude für Lehrwerkstätten erweitern lassen. So konnten hier vor 100 Jahren 687 Lehrlinge den theoretischen Unterricht im Rahmen ihrer Berufsausbildung aufnehmen, der durch entsprechende praktische Übungen in den Werkstätten und die Arbeit in den Ausbildungsbetrieben ergänzt wurde. Das Schulgebäude war die logische Konsequenz nach der 1911 vollzogenen Gründung der Städtischen Gewerbeschule, die anfangs aber noch kein eigenes Domizil besaß. Das änderte sich mit der Eröffnung des völlig neu gestalteten Gebäudes in der Seminarstraße 13, die den vorläufigen Höhepunkt der mehr als achtzig Jahre währenden Bemühungen um eine qualifizierte Berufsausbildung der Lehrlinge in Plauen und Umgebung markierte. 1832 hatten weitblickende Fabrikanten, Handwerker und Pädagogen die Sonntagsschule gegründet. Sie bot schulentlassenen Jugendlichen, aber auch älteren Gesellen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, ihre oft geringen Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen zu vervollkommnen, wobei der von ihnen gewählte Beruf noch keine Rolle spielte. Doch die Zahl der Teilnehmer und auch die erzielten Ergebnisse blieben hinter den Erwartungen zurück. Die steigenden geistigen Anforderungen an Industrie und Handwerk verlangten deshalb weitere Maßnahmen, so dass die Sonntagsschule 1856 zur „Handwerkerschule“ weiterentwickelt wurde. Neben städtischen Geldern wurde sie auch durch Zuschüsse der Innungen finanziert, doch ihr Besuch war weiterhin freiwillig. Erst das sächsische Volksschulgesetz vom 26. April 1873 brachte grundlegende Änderungen, indem es eine gesetzliche Fortbildungsschulpflicht einführte. Sie galt für alle männlichen Absolventen der achtjährigen Volksschule im Alter von 14 bis 17 Jahren und umfasste wöchentlich sechs Unterrichtsstunden, die von den Lehrlingen zusätzlich zu ihrer Arbeitszeit in den Abendstunden oder sonntags besucht werden mussten. Der Unterricht fand in den Räumen der Volksschulen und auch bei den dort tätigen Lehrern statt. Diese Regelung war den mangelnden Verkehrsverbindungen und den fehlenden Gewerbelehrern geschuldet und musste folglich weiter ohne konkreten beruflichen Bezug bleiben. Für die schulentlassenen Mädchen sah das Gesetz eine zweijährige Fortbildungsschule vor, allerdings nur, wenn der jeweilige Schulvorstand des Ortes sie für notwendig hielt. Die Stadt Plauen war die einzige Kommune im Königreich Sachsen, die diese „Kannbestimmung“ verwirklichte! Wie auch in anderen sächsischen Großstädten gab es im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auch in Plauen Bestrebungen, die Aufgaben der allgemeinen Fortbildungsschule und der Handwerkerschule zu verschmelzen, wobei immer mehr Wert auf eine berufsbezogene Ausbildung der Lehrlinge gelegt wurde. So wurde 1876 die „Gewerbliche Fortbildungsschule“ gegründet, die von dem bekannten Volksschullehrer Friedrich Krause (1831 – 1897) und danach von Richard Seydel (1859 – 1914) geleitet wurde. Sie sicherte den allgemeinbildenden Unterricht durch Volksschullehrer ab, während für die berufstheoretischen und -praktischen Unterweisungen erfahrene Handwerksmeister gewonnen wurden. Im Jahr 1900 forderten die Plauener Innungen der Schlosser, Maurer, Tischler und Zimmerer für ihre Lehrlinge nicht nur gesonderte Klassen, sondern auch eine Erhöhung der Zahl der Wochenstunden, für deren Erteilung anstelle der nebenamtlich tätigen Volksschullehrer hauptamtliche Gewerbelehrer angestellt werden sollten. Schließlich wurde am 20. November 1911 in Plauen die „Städtische Gewerbeschule“ gegründet, deren Direktor Richard Seydel wurde. Unter seiner Regie war der Unterricht viele Jahre in den Räumen der (späteren) Krauseschule Ecke Trockental- / Straßberger Str. erfolgt, deren Kapazität jedoch längst erschöpft war, so dass sehnsüchtig auf die Fertigstellung des Um- und Erweiterungsbaus in der Seminarstraße gewartet wurde. Die Übergabe des sanierten Gebäudes an die „Städtische Gewerbeschule“ am 4. September 1913 war somit ein freudiges Ereignis für die Stadt, doch es erwies sich sehr bald als zu klein, da weitere Berufsgruppen, vor allem ab 1919 auch für verschiedene „Frauenberufe“ sowie Umschulungskurse für Kriegsversehrte untergebracht werden mussten. Das zwang die Schulleitung, der seit 1914 Paul Hauenschild vorstand, auch wieder benachbarte Volksschulen um Gastrecht zu bitten. Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zählte die Städtische Gewerbeschule rund 2400 Schüler sowie knapp 900 Teilnehmer an freiwilligen Weiterbildungskursen. Sie wurden im Hauptgebäude und anderen Plauener Schulen unterrichtet. Nachdem infolge der Wirtschaftskrise Pläne gescheitert waren, eine völlig neue Gewerbeschule im Stile der Bauhaus-Architektur zu errichten, wurde bis 1933 ein zusätzliches zweistöckiges Wirtschaftsgebäude in der unmittelbar benachbarten Neustraße fertiggestellt. Am 19. März und 8. April 1945 wurde das Schulgebäude in der Seminarstraße und die dazu gehörenden Werkstätten durch Bomben schwer beschädigt, so dass erst 1948 der Unterricht wieder aufgenommen werden konnte. In der DDR beherbergte das Schulhaus die Berufsschule für alle Lehrlinge, die das duale System der Berufsausbildung durchliefen. Nach 1992 wurde das Gebäude Teil des Gewerblich-technischen Schulzentrums der Stadt, heute bildet es – nach einer grundlegenden Sanierung im Jahr 2000 – gemeinsam mit dem Schulkomplex in der Uferstraße das „Berufliche Schulzentrum 'e.o.plauen', das für viele Jugendliche der Stadt und ihrer Umgebung die entscheidende Startbasis ins Berufsleben ist.